Campus Lichtenberg: Alt-Friedrichsfelde
Die Gebäude des heutigen Campus Lichtenberg der HWR Berlin entstanden zwischen 1978 und 1986 als gemeinsamer Standort für die Berliner Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR.
Zwischen 1978 und 1986 wurden in Berlin-Lichtenberg an der damaligen Straße der Befreiung insgesamt 16 Gebäude gebaut, die bis auf Haus 6 noch alle erhalten sind. Sie dienten als gemeinsamer Sitz für die Berliner Bezirksverwaltung des Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR und verschiedene Berliner MfS-Kreisdienststellen, die zuvor auf mehrere Standorte verteilt waren. Die Baukosten der für rund 1.000 Mitarbeiter der Berliner Stasi projektierten Neubauten betrugen mehrere hundert Millionen Mark der DDR. Das ehrgeizige Projekt drohte aus finanziellen Gründen zeitweise zu scheitern.
Während der Zeit der Nutzung durch das MfS war das Gelände auf einer Gesamtlänge von zwei Kilometern von einer 2,20 Meter hohen Mauer umgeben. Entlang der Mauer gab es eine Sicherheitsbeleuchtung und ein Postenturm im Südosten des Geländes. Dieser ermöglichte, circa 30 Prozent der Liegenschaft zu überwachen. Der Zugang erfolgte über die Alfred-Kowalke-Straße und die damalige Werner-Lamberz-Straße, die seit 1992 Gensinger Straße heißt. Ein Teil der Außenmauer ist noch erhalten.
Das Ministerium für Staatssicherheit überwacht die Menschen
Das Ministerium für Staatssicherheit war das zentrale Überwachungs- und Repressionsinstrument der DDR. Dem MfS oblag – aus Sicht des Regimes – die Gewährleistung der Sicherheit auf allen Ebenen. Dies schloss die Bekämpfung der Opposition und die Verhinderung von Flucht und Ausreise von DDR-Bürgerinnen und -Bürgern ein. Das MfS verfügte über weitreichende strafverfahrensrechtliche und polizeiliche Befugnisse.
Die Abgrenzung gegenüber den Aufgaben anderer staatlicher Organe wie Volkspolizei oder Zollbehörden war vielfach nicht eindeutig geregelt. Das MfS unterlag keiner effektiven Kontrolle, etwa durch die Justizbehörden. Die nach dem Vorbild und unter Anleitung des sowjetischen KGB aufgestellte Geheimpolizei unterstand unmittelbar der herrschenden Partei: der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Sie verstand sich als „Schild und Schwert der Partei“. Umfang und Auswirkungen der Überwachungsmaßnahmen des MfS veränderten sich im Verlauf der DDR-Geschichte.
Die Berliner Bezirksverwaltung war mit der ebenfalls in Berlin-Lichtenberg ansässigen MfS-Zentrale der DDR eng verbunden, die für Berlin Aufgaben, wie zum Beispiel den Personenschutz, aber auch Abhörmaßnahmen und Postüberwachung durchführte, die in den anderen DDR-Bezirken in die Zuständigkeit der dortigen Bezirksverwaltungen fielen. Von den elf nachgeordneten Berliner Kreisdienststellen des MfS waren fünf räumlich im Gebäudekomplex der Berliner Bezirksverwaltung untergebracht. Die Leitung der Bezirksverwaltung Berlin des MfS hatte von 1974 bis 1986 Wolfgang Schwanitz und bis zur Auflösung im Jahr 1990 Siegfried Hähnel inne.
1990 übernimmt der Berliner Magistrat das Gelände
Die Liegenschaft der ehemaligen Bezirksverwaltung des MfS wurde 1990 an den Magistrat von (Ost-)Berlin übergeben. Die Nutzung erfolgte zunächst durch das Rettungsamt Berlin und verschiedene Gesundheitseinrichtungen. 1993 wurde der Neubau von Haus 6 A und 6 B fertiggestellt. 1994 bezog die 1973 in Westberlin gegründete Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin (FHVR Berlin) den Standort Bildungs- und Verwaltungszentrum Friedrichsfelde in Berlin-Lichtenberg. Seit der Gründung der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin im Jahr 2009 bilden fünf Fachbereiche den Campus Lichtenberg der HWR Berlin. Daneben nutzen weitere Einrichtungen und Ämter des Bezirks Lichtenberg beziehungsweise des Landes Berlin Räumlichkeiten in dem großen Liegenschaftskomplex.
Text: Christoph Kopke und Marcel Kuhlmey
Quellen und Literatur:
Auswertung von Akten und Unterlagen aus dem Archiv des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU)
Jens Schöne
Erosion der Macht. Die Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin
Landesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Berlin
4. Auflage 2014, 1118 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-9340-8520-6