Deutsche Volkswirtschaft leidet unter den Wechseljahren
Forschungsteam der HWR Berlin hat erstmals volkswirtschaftlichen Schaden durch Wechseljahresbeschwerden am Arbeitsplatz berechnet. Dringende Notwendigkeit für Maßnahmen von Politik und Wirtschaft.
Berlin, 19. November 2024 – Wechseljahresbeschwerden am Arbeitsplatz sind in Deutschland oft ein Tabuthema. Sie werden kaum angesprochen oder berücksichtigt. Dabei haben sie erhebliche volkswirtschaftliche Auswirkungen.
Die volkswirtschaftliche Last der Wechseljahre
Ein Forschungsteam der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) hat zum ersten Mal abgeschätzt, welche gesamtwirtschaftliche Konsequenzen sich aus Wechseljahresbeschwerden am Arbeitsplatz ergeben. Professorin Andrea Rumler und Professor Till Strohsal beziffern die volkswirtschaftlichen Kosten auf rund 9,4 Milliarden Euro pro Jahr beziehungsweise fast 40 Millionen Arbeitstage. Dabei berücksichtigt diese Schätzung nicht die Effekte durch vorzeitigen Ruhestand, reduzierte Arbeitszeit und ausgeschlagene Beförderungen betroffener Frauen. Auch die Kosten für medizinische Behandlungen sind, anders als zum Beispiel in Berechnungen für die USA, nicht einbezogen.
Die Umfrageergebnisse der Studie MenoSupport der HWR Berlin zeigen, dass die Auswirkungen am Arbeitsplatz aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen durch die Menopause bei deutschen Frauen im Umfang vergleichbar sind mit denen von Frauen aus Großbritannien (UK) oder den USA. Untersuchungen aus UK legen nahe, dass Frauen durch die Symptome der Wechseljahre durchschnittlich eine halbe Stunde ihrer wöchentlichen Arbeitszeit nicht arbeitsfähig sind. Hochgerechnet auf die ca. 6,7 Millionen erwerbstätigen Frauen in Deutschland im Alter zwischen 50 und 65 Jahren ergibt sich ein beachtlicher Verlust durch nicht produziertes Bruttoinlandsprodukt
„Diese Zahlen zeigen eindrücklich, dass das Klimakterium für Frauen nicht nur eine persönliche Herausforderung ist, sondern auch ein zentrales Thema für Wirtschaft und Gesellschaft darstellt“, erklären die Forschenden.
Auswirkungen der Symptome
Grundlage für diese Berechnungen bildet die von Professorin Andrea Rumler geleitete wissenschaftliche Befragung, die deutschlandweit berufstätige Frauen zu den Auswirkungen von Wechseljahresbeschwerden befragte. Von den 2119 befragten Frauen zwischen 28 und 67 Jahren gaben 10 Prozent an, aufgrund von Wechseljahresbeschwerden früher in Rente gehen zu wollen oder bereits gegangen zu sein. Bei den Befragten, die älter als 55 Jahre sind, waren es sogar 19,4 Prozent. Darüber hinaus hatten fast ein Viertel der Studienteilnehmerinnen mit Wechseljahressymptomen ihre Arbeitsstunden reduziert, fast ein Drittel war aufgrund dieser Symptome krankgeschrieben oder nahm unbezahlten Urlaub. Mehr als jede sechste Befragte gab an, ihren Arbeitsplatz gewechselt zu haben.
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Handlungsbedarf für Wirtschaft und Politik
Prof. Dr. Andrea Rumler betont, dass passgenaue Maßnahmen im betrieblichen Gesundheitsmanagement ethisch geboten und wirtschaftlich sinnvoll sind.
Abhilfe durch Veränderung
Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, wie dringend Frauengesundheit in den Fokus von Gesundheitsmanagement und politischer Gestaltung rücken muss. „Es ist nicht nur eine Frage der sozialen Verantwortung, sondern in Zeiten von Arbeitskräftemangel auch eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit, die Arbeitsfähigkeit von Frauen in dieser Lebensphase zu unterstützen und zu erhalten“, bilanziert Till Strohsal, Professor für Wirtschaftspolitik an der HWR Berlin.
„Unternehmen, Organisationen und Behörden – alle Arbeitgeber*innen können viel tun, um ein wechseljahresfreundliches Arbeitsumfeld zu schaffen“, sagt Professorin Rumler. „Dabei gilt es, die individuellen Herausforderungen von Frauen in den Wechseljahren gezielt zu adressieren und dabei sowohl gesundheitliche als auch berufliche Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen. Ein differenzierter Umgang mit den Bedürfnissen von Frauen in der Menopause sollte zur Priorität werden.“, so Rumler.
Über die Studie MenoSupport
MenoSupport ist das erste Forschungsprojekt in Deutschland, das Wechseljahresbeschwerden im Arbeitskontext umfassend untersucht. Es wurde in Kooperation zwischen der HWR Berlin und der HTW Berlin durchgeführt. Die Ergebnisse sind abrufbar unter blog.hwr-berlin.de/menosupport/ergebnisse/
Kontakt
Prof. Dr. Andreal Rumler
andrea.rumler (at) hwr-berlin.de
Andrea Rumler ist Professorin für allgemeine BWL und Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Sie war Leiterin des Forschungsprojekts MenoSupport. Im Rahmen des Projekts wurde die erste deutschlandweite Studie zu den Auswirkungen der Wechseljahre auf Frauen am Arbeitsplatz durchgeführt.
Prof. Dr. Till Strohsal
till.strohsal (at) hwr-berlin.de
Till Strohsal ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Zuvor war er im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und im Bundeskanzleramt tätig. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich der empirischen Makroökonomik.