Private Ermittler und Staat: ein Balanceakt
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kriminalistik: Ein Interview mit Prof. Christian Matzdorf über Potenzial und Grenzen der Zusammenarbeit privater Ermittlungsdienste und staatlicher Behörden
Zur Person
Prof. Christian Matzdorf ist Professor für Kriminalistik mit dem Schwerpunkt Kriminaltechnik an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) sowie Vorstandsmitglied und Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Kriminalistik (DGfK) e.V. Am 4. und 5. November 2024 findet in Nürnberg die Jahrestagung der DGfK statt unter dem Titel „Variationen der Wirtschaftskriminalität“.
Prof. Matzdorf, wie kann angesichts zunehmend komplexer Kriminalitätsformen und begrenzter Ressourcen bei staatlichen Ermittlungsbehörden die Zusammenarbeit mit privaten Ermittlern zur Kriminalitätsbekämpfung beitragen?
Die Rechtsordnung und ihre Umsetzung kann in der Praxis von einer strukturierten Zusammenarbeit profitieren. Eine große Anzahl von Rechtsverstößen wird – beispielsweise bei Wirtschaftsstraftaten häufig auch aus Imagegründen – zunächst nicht angezeigt. Stattdessen engagieren Auftraggeber zur Aufklärung private Ermittlungsdienste. Das wirkt sich negativ auf das Kriminalitätslagebild aus, weil damit das Dunkelfeld vergrößert wird.
Wie bringt man beide Akteure zusammen?
Private Ermittlungsdienste haben eine Vielzahl von Möglichkeiten, aber keine staatlichen Machtbefugnisse. Sie könnten also aus der Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden profitieren. Die Behörden wiederum können Ermittlungsergebnisse, die auf rechtmäßigem Weg zustanden gekommen sind, in Ermittlungsverfahren einfließen lassen.
Welche Kriterien müssen dafür erfüllt sein?
Dazu gehört das Verständnis der Möglichkeiten und Grenzen der jeweils anderen Seite. Es ist notwendig, auch aus dem privaten Ermittlungssektor heraus strafprozessuale Grundlagen zu berücksichtigen, um die Ergebnisse in ihrer Verwertbarkeit nicht zu beeinträchtigen. Selbstverständlich gilt in diesem Zusammenhang, dass es zu keiner Umgehung rechtsstaatlicher Grundsätze kommen darf. So kann beispielsweise eine Staatsanwaltschaft keine privaten Ermittlungsdienste zu Ermittlungen anweisen.
Welche neuen Möglichkeiten der Strafverfolgung eröffnen sich?
Gerade im technischen Sektor kann eine gesetzeskonforme Zusammenarbeit mit privaten Ermittlungsdiensten für die Ermittlungsbehörden Vorteile bringen und helfen, Verfahren zielführend zu betreiben. Umgekehrt profitiert die nichtstaatliche Seite, weil sie staatliche Maßnahmen anzustoßen und damit auch im Sinne ihrer Auftraggeber erfolgreich agieren kann. Letztlich kann eine gelungene Kooperation dazu beitragen, schneller und mit höherer Beweislast zu gerichtlich verwertbaren Ergebnissen zu gelangen.
Was ist nötig, damit private und staatliche Ermittler vertrauensvoll agieren können?
Es bedarf klarer gesetzlicher Grundlagen für eine enge Zusammenarbeit unter Beachtung der unterschiedlichen Rollen und Befugnisse. Die zahlreichen Versuche, dies auf Länderebene zu regeln, sind nicht fundiert genug gewesen, um Rechtssicherheit herzustellen. Hier ist das Bundesjustizministerium gefragt, von dem noch in diesem Quartal dazu Antworten erwartet werden. Nur Rollenklarheit schafft Rechtssicherheit und hilft, gemeinsam rechtsstaatliche Ziele zu erreichen.
Welche Risiken bringt die Einbindung privater Dienste in staatliche Ermittlungen eventuell mit sich?
Privaten Ermittlungsdiensten haftet gelegentlich ein schlechtes Image an, was durch einige wenige Beispiele, wo gesetzliche Grenzen überschritten wurden, die Gesamtsituation negativ überstrahlt. Dem könnte durch Qualitätsstandards und Zertifizierungsprozesse entgegengewirkt werden – auch, um wechselseitiges Vertrauen zu fundieren. Auch hier gilt: Je klarer die gesetzliche Regelungslage und deren Auslegungen sind, umso geringer sind die Risiken.
Welche internationalen Modelle oder Best Practices zur Zusammenarbeit von privaten und öffentlichen Ermittlungsbehörden könnten als Vorbild für die deutsche Kriminalistik dienen?
Es gibt weltweit unzählige Beispiele von staatlich-privaten Kooperationen bis hin zur Auslagerung bestimmter Ermittlungs- und forensischer Untersuchungsleistungen in den privaten Sektor. Diese Beispiele können geprüft und die teils jahrzehntelangen Erfahrungen ausgewertet werden. Letztlich zählt aber, inwieweit diese Reglungen auf die Bunderepublik Deutschland bezogen gesetzeskonform sind beziehungsweise wo noch Regelungsbedarf besteht, der tatsächlich von allen Seiten konstatiert wird. Ich empfehle, vorrangig europäische Modelle zu prüfen, wie sie beispielsweise in Großbritannien zu finden sind.
Herr Prof. Matzdorf, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Geführt wurde das Interview von Sylke Schumann, Pressesprecherin der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin).
Kontakt
Prof. Christian Matzdorf
E-Mail: christian.matzdorf(at)hwr-berlin.de
Mobil: 0049-(0)156 78 35 74 81