Warum neu machen, wenn schon vorhanden
Es gibt viele Wege zu gründen und Alternativen zur Neugründung. Manchmal erweist sich eine Übernahmegründung als erfolgversprechender. Ein Interview mit Prof. Dr. Birgit Felden zu Chancen und Risiken.
Prof. Dr. Birgit Felden ist Professorin für Mittelstand und Unternehmensnachfolge an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin). Sie leitet den Bachelorstudiengang Unternehmensgründung und -nachfolge, ist Direktorin des EMF-Instituts für Entrepreneurship, Mittelstand und Familienunternehmen der HWR Berlin, Multi-Aufsichtsrätin und BrainCity Berlin-Botschafterin.
Frau Prof. Felden, ist der Begriff Unternehmensnachfolger*in eigentlich noch zeitgemäß?
Faktisch ja, aber für das Marketing nicht gut, weil der Begriff bei vielen, vor allem jungen Menschen, die Vorstellung von festgefahrenen Strukturen und wenig Gestaltungsfreiraum auslöst. Warum nicht besser Übernahmegründer*in analog zu Neugründer*in ansprechen – das klingt doch gleich nach viel mehr eigenen Gestaltungsmöglichkeiten.
Neue Besen kehren gut, heißt es, aber die alten wissen, wo der Dreck liegt…
Stimmt. Übernahme heißt ja auch nicht, dass alles über den Haufen geworfen werden muss. Aber viele mittelständische Unternehmen brauchen auch den frischen Geist von Gründern und Gründerinnen – weil sie ohne Transformation langfristig nicht überleben werden.
Das Bundeswirtschaftsministerium ruft im Juni einen Aktionstag Unternehmensnachfolge aus. Hat der Mittelstand das nötig?
Leider sehr. Über 100.000 Unternehmen in Deutschland suchen permanent einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin – manche Statistiken liegen da noch deutlich höher. Viele Gründer und Gründerinnen haben gar nicht das hippe Startup mit dem Blick auf den Exit im Kopf, sondern wollen langfristig mit einem innovativen Unternehmen erfolgreich sein – warum also nicht auf einen fahrenden Zug aufspringen?
Wie wichtig ist der Mittelstand für die deutsche Wirtschaft?
Na ja, wenn mehr als 95 Prozent aller Unternehmen mittelständische Unternehmen sind, erübrigt sich diese Frage doch fast – oder? Aber es sind gerade diese mehr als drei Millionen ausgesprochen diversen Unternehmen, die immens zur Stabilität der deutschen Wirtschaft beitragen.
Weshalb sollte man und vor allem auch frau sich eine Nachfolgegründung zutrauen und antun?
Weil‘s sicherer ist – weil‘s Arbeitsplätze sichert und weil‘s einfach in vielen Fällen der preiswertere Weg ist, statt einen langwierigen und wettbewerbsintensiven Neuaufbau zu stemmen!
Kann man Übernahmegründung lernen?
Unternehmerische Veranlagung kann man meines Erachtens nicht lernen, aber das Rüstzeug für erfolgreiches Unternehmertum, das kann man lernen! Zum Beispiel in unserem Bachelorstudiengang Unternehmensgründung und -nachfolge an der HWR Berlin. Er richtet sich an Macher und Macherinnen, die etwas bewegen wollen. Und dann steht die Entscheidung für Neugründung oder Übernahmegründung oder auch für eine Leitungsfunktion in einem bestehenden Unternehmen an zweiter Stelle.
Wie wecken Sie Übernahmegründungslust bei Ihren Studierenden?
Das muss ich gar nicht, das machen die Studierenden gegenseitig. Manche haben schon Ideen für Geschäftsmodelle oder was sie anders machen wollen, wenn sie beispielsweise das elterliche Unternehmen übernehmen. Andere sind noch ganz offen. Genau das macht den Studiengang so spannend, für alle. Ich moderiere und gebe ihnen das theoretische Rüstzeug und eine Menge praktischer Anwendertipps mit auf den Weg. Ich bin selbst seit 1995 Unternehmerin – wie viele unserer Dozentinnen und Dozenten. Das schafft ein einmaliges Klima unter Gleichgesinnten.
Wenn eine Übernahmegründung so vielversprechend ist, was darf man dennoch nicht unterschätzen?
Die Anforderungen an Übernahmegründung liegen darin, dass man von jetzt auf gleich einen laufenden Betrieb mit allen Aufgaben übernimmt – von der Verantwortung für Mitarbeiter*innen über finanzielle Entscheidungen bis zu Verwaltungsaufgaben. Aber das Risiko kann man durch eine gute Vorbereitung eingrenzen und genau das soll unser Studiengang leisten – für alle Arten von Gründung.
Sie begleiten und beraten seit vielen Jahren Unternehmen beim Wechsel an der Spitze. Wie beginnen Sie das erste Gespräch?
Mit der Frage nach der unternehmerischen Zielsetzung. Erst wenn man weiß, was man will, kann man auch dorthin kommen. Das gilt für alle Zielsetzungen – aber besonders für unternehmerische.
Frau Prof. Felden, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Sylke Schumann, Pressesprecherin der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin).
Veranstaltungshinweis
Am 7. Juni 2023 lädt die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin von 11–15 Uhr zum Tag der offenen Tür an den Campus Schöneberg. Hier gibt es auch Informationen zum Bachelorstudiengang Unternehmensgründung und -nachfolge, zur Studienbewerbung und mehr. Für den Studienstart zum Wintersemester 2023/24 ab 1. Oktober läuft die Bewerbungsfrist bis zum 15. Juli 2023.