23.05.2023 — Pressemitteilung 24/2023Pressemitteilung 24/2023 | 23.05.2023

ChatGPT

Zu gut, um echt zu sein

Intelligente Softwaresysteme verändern Arbeitswelt und Geschäftsprozesse. Neue Anwendungen wie ChatGPT passen sich der menschlichen Kommunikation an. Ein Interview mit Prof. Dr. Sabine Baumann.

Dr. Sabine Baumann ist Professorin für Digital Business an der HWR Berlin. Sie ist Expertin für Digitale Plattformen und Technologien, Business Ecosystems, Nachhaltigkeit und Strategisches Management und forscht auch zu Responsible AI Systems und Industrie 4.0/Smart Manufacturing. Foto: OFFIS - Institut für Informatik | Bonnie Bartusch
  • Chatbots wie ChatGPT können eine effiziente Möglichkeit sein, um Benutzerinteraktionen zu automatisieren und Dienstleistungen rund um die Uhr verfügbar zu machen.
  • Es ist wichtig sicherzustellen, dass Chatbots und ähnliche Anwendungen fair, inklusiv und ethischen Standards entsprechend entwickelt und eingesetzt werden.
  • Technologieunternehmen können trotz der kostenloser Open-Source-Versionen Geld verdienen, indem sie Dienstleistungen rund um die Implementierung, Anpassung und Integration des Modells anbieten.

Zur Person

Prof. Dr. Sabine Baumann ist Professorin für Digital Business an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) und wissenschaftliche Leiterin im Forschungsbereich Produktion am OFFIS Institut für Informatik in Oldenburg. Die Expertin für Digitale Plattformen und Technologien, Business Ecosystems, Nachhaltigkeit und Strategisches Management forscht auch zu Responsible AI Systems und Industrie 4.0/Smart Manufacturing.

Frau Prof. Baumann, leben und arbeiten wir bald alle im Metaverse oder ist die fiktive Welt zu täuschend echt, um wahr zu sein?

Das Metaverse - eigentlich genauer - die Metaversen sind virtuelle Räume, in denen Menschen miteinander interagieren und verschiedene Aktivitäten durchführen können. Es gibt eine breite Palette von Anwendungen wie virtuelle Meetings und Konferenzen oder virtuelles Einkaufen, Gaming und soziale Interaktionen. Ich glaube nicht, dass wir alle ständig in Metaversen sein werden, aber virtuelle Räume werden — so wie das Internet oder mobile Anwendungen — zu Begleitern werden, in die wir eintauchen, um uns zu treffen, zusammenzuarbeiten, Unterstützung bei der Lösung von Problemen zu bekommen oder unterhalten zu werden. Noch müssen aber einige technische und soziale Herausforderungen bewältigt werden.

Künstliche Intelligenz (KI) ist durch ChatGPT nun auch für eine breitere Öffentlichkeit Teil der Wirklichkeit geworden. Ein lernendes System erschafft selbstständig Texte. Fluch oder Segen?

Künstliche Intelligenz wie ChatGPT hat gute und schlechte Seiten. Sie kann helfen, Texte zu generieren, kann jedoch auch zu Missbrauch und Fehlinformationen führen, weshalb eine verantwortungsbewusste Nutzung und Regulierung wichtig sind.

Was finden Sie gut an Chatbots wie ChatGPT?

Sie können eine effiziente Möglichkeit sein, um Benutzerinteraktionen zu automatisieren und Dienstleistungen rund um die Uhr verfügbar zu machen. Chatbots sind computergesteuerte Programme, die entwickelt wurden, um menschenähnliche Gespräche mit Benutzerinnen und Benutzern zu führen. Chatbots verwenden Algorithmen und künstliche Intelligenz, um auf Anfragen zu antworten, Informationen bereitzustellen oder bestimmte Aufgaben zu erledigen.

An welchen Stellen kollidieren Ethik und Technologie bei der Entwicklung und Anwendung?

Kollisionen treten zum Beispiel in den Bereichen Datenschutz, Transparenz, Verantwortung oder diskriminierungsfreier Entscheidungsfindung auf. Es ist daher wichtig sicherzustellen, dass Chatbots fair, inklusiv und ethischen Standards entsprechend entwickelt und eingesetzt werden.

Was haben Sie als Hochschullehrerin in Bezug auf ChatGPT besonders im Blick?  

Ich erforsche, wie sich Arbeitswelt und Geschäftsprozesse durch Systeme künstlicher Intelligenz verändern und auch zum verantwortungsvollen Umgang mit diesen Technologien. In der Lehre führe ich Studierende an die Technologien heran und möchte sie für einen kritischen Umgang mit möglicherweise falschen Ergebnissen oder der Verletzung geistigen Eigentums sensibilisieren. Auch sind datenschutzrechtliche Aspekte zu beachten. Wichtig ist mir auch die Vermittlung einer Beurteilungskompetenz zu den Einsatzgebieten von Systemen der künstlichen Intelligenz sowie deren Vor- und Nachteilen. ChatGPT verändert aber auch die Art zu prüfen. Eine rein textbasierte Reproduktion von Wissen wird zunehmend hinter interaktive Prüfungsformen zurücktreten.

Welche anderen Beispiele für ähnliche Anwendungen gibt es, die ähnlich im Kommen sind?

Neben Chatbots gibt es andere ähnliche Anwendungen wie Sprachassistenten wie Alexa und Siri, Übersetzungstools wie DeepL, virtuelle Assistenten wie Cortana und Bixby, personalisierte Empfehlungssysteme und automatisierte Kundensupport-Systeme. Diese Technologien bieten eine personalisierte und bequeme Unterstützung, indem sie Interaktionen zwischen Menschen und Maschinen automatisieren. Aber auch der Einsatz dieser Systeme wird ähnlich kritisch diskutiert, wie der von ChatGPT.

Die einfache Version von ChatGPT ist Open Source, kostenlos nutzbar. Wie können Technologieunternehmen trotzdem Geld verdienen?

Technologieunternehmen können trotz der kostenlosen Open-Source-Version von ChatGPT Geld verdienen, indem sie Dienstleistungen rund um die Implementierung, Anpassung und Integration des Modells anbieten. Sie können auch Cloud-basierte Plattformen bereitstellen und dafür Gebühren erheben oder spezielle Versionen von ChatGPT mit erweiterten Funktionen lizenzieren. Zudem können sie anonymisierte Nutzungsdaten analysieren und diese für Marketingzwecke oder die Entwicklung neuer Produkte nutzen.

Wenn neue Technologien wie ChatGPT doch so hilfreich sind, weshalb und aus welchen Richtungen kommen dennoch Bedenken und Kritik?

Trotz der Vorteile von Technologien wie ChatGPT gibt es Bedenken beispielsweise in Bezug auf Arbeitsplatzverlust, Verletzung geistigen Eigentums, Bias der Antworten, Abhängigkeiten von Technologien oder den Verlust wichtiger Kulturtechniken. Es wird daher darum gehen sicherzustellen, dass die KI-Technologien verantwortungsvoll eingesetzt werden.

Was hat Sie am Vormarsch des Text-Bots überrascht?

Überraschend war, mit welcher Geschwindigkeit ChatGPT allgemein akzeptiert wurde – und das auch von Menschen, die nicht (mehr) zu den Digital Natives zählen. Für viele Nutzerinnen und Nutzer ist der Text-Bot bereits jetzt nicht mehr wegzudenken.

Frau Prof. Baumann, ich danke Ihnen für das Gespräch.


Das Interview führte Sylke Schumann, Pressesprecherin der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin).

Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin)
Die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin ist mit über 12 000 Studierenden eine der großen Hochschulen für angewandte Wissenschaften – mit ausgeprägtem Praxisbezug, intensiver und vielfältiger Forschung, hohen Qualitätsstandards sowie einer starken internationalen Ausrichtung. Das Studiengangsportfolio umfasst Wirtschafts-, Verwaltungs-, Rechts- und Sicherheitsmanagement sowie Ingenieurwissenschaften in über 60 Studiengängen auf Bachelor-, Master- und MBA-Ebene. Die HWR Berlin unterhält 195 aktive Partnerschaften mit Universitäten auf allen Kontinenten und ist Mitglied im Hochschulverbund „UAS7 – Alliance for Excellence“. Als eine von Deutschlands führenden Hochschulen bei der internationalen Ausrichtung von BWL-Bachelorstudiengängen und im Dualen Studium belegt die HWR Berlin Spitzenplätze in deutschlandweiten Rankings und nimmt auch im Masterbereich vordere Plätze ein. Die HWR Berlin ist einer der bedeutendsten und erfolgreichen Hochschulanbieter im akademischen Weiterbildungsbereich und Gründungshochschule. Die HWR Berlin unterstützt die Initiative der Hochschulrektorenkonferenz „Weltoffene Hochschulen – Gegen Fremdenfeindlichkeit“.

www.hwr-berlin.de