Üben, üben, üben – aber richtig!
Im Fokus des 4. Fachsymposiums zum Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz am 18. Dezember 2020 stand das Thema »Best Practice: Übungen zur Terrorabwehr«.
Aufgrund der Corona-Pandemie fand das Fachsymposium zu wechselnden Schwerpunktthemen im Kontext des Terrorismus erstmals digital statt. Die bis zu 250 Teilnehmenden, vorrangig Akteurinnen, Akteure, Entscheidungsträgerinnen und Entscheider aus Politik, Wissenschaft, Polizei und Verwaltung, trafen sich am 18. Dezember 2020 online zur wissenschaftlichen und fachpraktischen Auseinandersetzung.
Erinnern an die Opfer und ihre Angehörigen
Ausgerichtet wurde die Veranstaltung von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) und der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Sie erinnert an die Opfer und Angehörigen des Terroranschlags vom 19. Dezember 2016. Neben Grußworten, Impulsvorträgen und einem Podiumsgespräch nationaler und internationaler Expertinnen und Experten, gab es auch die Möglichkeit zum virtuellen Austausch im Nachgang des Fachsymposiums.
4. Fachsymposium zum Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz
Wie kann sich Berlin auf Terroranschläge vorbereiten?
Die Dekanin des Fachbereiches Polizei und Sicherheitsmanagement an der HWR Berlin, Prof. Dr. Sabrina Schönrock, eröffnete das digitale Fachsymposium und begrüßte die Gastrednerinnen, Gastredner und die Teilnehmenden.
Wie sich die Stadt Berlin effektiv auf terroristische Anschläge vorbereitet, ist ein Bestandteil des neuen Anti-Terror-Plans, den Berlins Innensenator Andreas Geisel im Rahmen seines Grußworts vorstellte. Der Austausch mit der Wissenschaft sei hierbei ein wichtiger Baustein. „Die Betrachtung der Sicherheit dieser Stadt aus unterschiedlichsten Blickwinkeln hilft uns, neue Gedanken und Arbeitsweisen kennenzulernen“, so Geisel.
Gemeinsam handeln, um Terror zu verhindern
„Übung führt zur routinierter Praxis“, betonte Prof. Dr. Andreas Zaby, Präsident der HWR Berlin in seiner Begrüßung und gab damit einen Kerngedanken der Tagung wieder. Das kooperative Handeln von Sicherheitsorganen sowie Bildungs- und Wissenschaftsorganisationen spiele laut Zaby eine der wichtigsten Rollen bei der Verhinderung und Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus. Dieser gemeinsame Weg müsse auch im Rahmen der regelmäßig durchgeführten Fachsymposien zu wechselnden Sicherheitsthemen fortgeführt werden. Er sei beispielhaft.
Übungen können die Realität nie ganz abbilden
Thomas Greis, Chefinspektor der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres in Wien ging in seinem Vortrag „Übung vs. Einsatz – vom Versuch, auf die Realität vorbereitet zu sein“ der Frage nach, inwieweit Übungen so gestaltet werden können, dass sie einen maximalen Mehrwert für die reale Einsatzbewältigung bieten.
Die letzte große Einsatzlage traf Wien am 02. November 2020 im Rahmen eines terroristischen Amoklaufes, bei dem vier Menschen getötet wurden. Auch wenn Übungen die Realität nie in Gänze abbilden könen, so Greis, müsse die Handlungsfähigkeit aller Sicherheitsakteurinnen und -akteure stetig erprobt und dadurch gesteigert werden. Der Wiener Experte beendete seinen Vortrag mit der Feststellung, „dass der Erfolg einer Übung nicht darin besteht, alles richtig gemacht zu haben, sondern aus Fehlern lernen zu dürfen.“
Sieben Übungen zu Anschlagsszenarien seit 2017
Der Berliner Staatssekretär für Inneres, Torsten Akmann, erläuterte in seinem Impulsvortrag, dass die Auseinandersetzung mit lebensbedrohlichen Einsatzlagen bereits in der Ausbildung beginne, unter aderem im Rahmen der Planübungen im Bachelorstudiengang gehobener Polizeivollzugsdienst an der HWR Berlin. Akmann betonte die Wichtigkeit eines internationalen Erfahrungsaustausches mit anderen Metropolen, um eigene Maßnahmen und Konzepte prüfen und optimieren zu können. Seit 2017 habe die Polizei Berlin sieben große Übungen zu verschiedenen Anschlagsszenarien durchgeführt.
Durch solche Übungen könne nicht nur die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Kräfte geschult und die Wirksamkeit von Einsatzkonzepten untersucht, sondern auch das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung verbessert werden. Denn Übungen wie die Anti-Terror-Übung „Periculum“ in Berlin, die eigentlich im März 2020 vorgesehen war und nun auf das Jahr 2021 verschoben wurde, dienten in erster Linie der Sicherheit der Berliner Bürgerinnen und Bürger.
Gelassene Wachsamkeit trainieren
Prof. Dr. Wim Nettelnstroth, Professor für Psychologie am Fachbereich Polizei und Sicherheitsmanagement der HWR Berlin und Leiter des Studienganges gehobener Polizeivollzugsdienst, gewährte den Teilnehmenden den pädagogisch-psychologischen und didaktischen Blick auf Übungen zur Terrorabwehr.
Anhand theoretischer Modelle und empirischer Untersuchungen zeigte Nettelnstroth auf, dass Handlungssicherheit und Einsatzkompetenz von Akteurinnen und Akteuren durch realitätsnahe Übungen und Rollenspiele optimiert werden können. Damit der Transfer von der Übung in die Realität gelinge, spielen verschiedene Lernprinzipien, wie das Prinzip der Authentizität, eine bedeutende Rolle.
Damit im Einsatzfall die optimale Leistung abgerufen werden könne, sei es wichtig, dass sich die Übungsteilnehmenden in einem persönlichen Aktivierungszustand im Bereich des mittleren Erregungsniveaus befinden. Dieser optimale Zustand der gelassenen Wachsamkeit müsse ebenfalls geübt und trainiert werden, so Nettelnstroth.
Im Anschluss an die drei Vorträge erläuterte Dekanin Schönrock die Umsetzung und den Ablauf der Poster-Session. Da die Poster-Session nicht in Präsenz abgehalten werden konnte, erhalten die Teilnehmenden im Nachgang die Möglichkeit, sich mit den wissenschaftlichen Beiträgen zu verschiedenen sicherheitsrelevanten Forschungsfragestellungen digital über die Lernplattform Moodle auseinanderzusetzen.
Podiumsgespräch: Interdisziplinäre Expertinnen- und Expertenrunde
Nach einer kurzen Pause eröffnete Prof. Dr. Birgitta Sticher, Professorin für Psychologie und Führungslehre der HWR Berlin, das Podiumsgespräch und stellte zunächst verschiedene Übungsarten sowie die interdisziplinäre Runder der Expertinnen und Experten vor.
Dazu zählten neben dem Wiener Experten Thomas Greis auch Polizeidirektor Daniel De Giuli, Einsatzreferent des Landes Baden-Württemberg beim Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg, Polizeidirektor Uwe Flemming vom Polizeipräsidium des Landes Brandenburg, Prof. Marcel Kuhlmey, Professor für Risiko und Krisenmanagement und Einsatzlehre an der HWR Berlin, EKHK’in Andrea Peters von der Polizeiakademie Berlin und Dr. Nobert Reez, Gesamtprojektleiter der Projektgruppe „Smart Borders“ der Bundespolizei und ehemaliger Projektleiter der Nationalen Übungsserie Lükex.
Übungen nach innen und außen ein wichtiges Signal
Während des einstündigen Gespräches teilten die Expertinnen und Experten ihre unterschiedlichen Erfahrungen und sprachen über geübte Szenarien, Übungsgestaltung, -evaluation und die Außenwirkung der Übungen. Die Moderatorin des Podiumsgespräches Sticher hielt zum Ende der Gesprächsrunde fest, dass Übungen eine wichtige Funktion erfüllen, sowohl nach innen als auch nach außen.
Einerseits führen sie bei den Trainierenden dazu, in der Realität motiviert zu sein, sich neuen Situationen zu stellen. Um Kompetenzbewusstsein zu erlangen und das Geübte hinterher anzuwenden, komme es allerdings darauf an, was konkret trainiert wird. Neben der Nachbereitung erziele bereits die Vorbereitung auf Übungen einen großen Lerneffekt. Anderseits können Übungen bei entsprechender Kommunikation zur Erhöhung des Sicherheitsgefühls in der Bevölkerung beitragen.
Digitales Get-together auf Wonder
Zum Abschluss dankte Schönrock allen Mitwirkenden und Teilnehmenden und würdigte die Arbeit des Live-Künstlers Mike Klar, der die Tagung mittlerweile zum vierten Mal zeichnerisch begleitete und die Ergebnisse auch dieses Mal in einem anschaulichen Gesamtbild verewigte. Passend zur Online-Tagung erstellte er das Bild auf digitalem Weg. Im Anschluss an das 4. Fachsymposium erhielten die Teilnehmenden die Möglichkeit zum virtuellen Get-together auf der Austauschplattform „Wonder.me“.
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