Gemeinsam auf Suche nach heißen Spuren für Cold Cases
Länderübergreifende Ermittlungen in ungeklärten Kriminalfällen: Wie deutsche Sicherheitsbehörden und das FBI gemeinsam an Cold Cases arbeiten können. Special Agents halten Vortrag an der HWR Berlin.
Berlin, den 17. Juli 2024 – „Die internationale Zusammenarbeit von staatlichen Sicherheitsbehörden ist oft essenziell bei der Aufklärung von schweren Verbrechen – auch oder gerade, wenn sie schon lange zurückliegen“, sagt Kriminaldirektor Christian Martin. Er lehrt Kriminalistik an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin). Im Vertiefungskurs „Cold Cases“ im Bachelorstudiengang für den gehobenen Polizeivollzugsdienst haben er und Kriminalistik-Professor Christian Matzdorf im Juli 2024 zwei Special Agents des Federal Bureau of Investigation (FBI) zu einem Vortrag eingeladen.
Special Agents des FBI an der HWR Berlin
Die erfahrenen Ermittler berichten anhand von realen Fallbeispielen über die Bearbeitung von Cold Cases in den USA und in Deutschland. Dabei geht es auch um die Zusammenarbeit zwischen deutschen und amerikanischen Sicherheitsbehörden bei polizeilichen Ermittlungen in bis dahin ungeklärten Kriminalfällen und internationale Fahndungsmaßnahmen in diesem Kontext. „Unsere Kooperationen sind von unschätzbarem Wert“, betont Special Agent Matthew Allen. Demnach arbeitet das FBI mit Sicherheitsbehörden in 180 Ländern zusammen.
Die beiden amerikanischen Referenten gehören zu den ranghöchsten FBI-Vertretern in Deutschland. Special Agent Christopher McKinney ist stellvertretender Chef der FBI-Dependance in Deutschland und verfügt über umfangreiche Erfahrung unter anderem im Bereich der Korruptionsbekämpfung und komplexer Finanzermittlungen. Er begann seine Laufbahn in einer taktischen Spezialeinheit innerhalb der Polizei. Special Agent Matthew Allen arbeitet im US-Konsulat in Frankfurt / Main. Zu seinen Spezialgebieten gehören die Rauschgiftkriminalität, Köperverletzungsdelikte, Terrorismusabwehr – und eben Cold Cases. Er ist Spezialist für die Auswertung digitaler Spuren. Dazu zählen unter anderem automotive IT, die Analyse von Smartphone-Apps und die Auswertung von Mobilfunkzellen.
Aufklärung von Cold Case nach Jahrzehnten
„Unsere Aufgabe ist es, Geschichtenerzähler zu sein – es reicht nicht, jemanden zu fassen. Wir sammeln Informationen, die sowohl die Schuld, als auch die Unschuld von Tatverdächtigen beweisen können und bereiten sie schlüssig auf“, sagt McKinney. Deshalb sei das A und O, systematisch und gründlich zu ermitteln – auch wenn es zunächst keine neuen Hinweise gebe. Auch der Zeitfaktor spiele eine entscheidende Rolle, sei es bei der Befragung von Zeuginnen und Zeugen und vor allem bei der Auswertung von digitalen Spuren, da die Dauer der Datenspeicherung gesetzlich begrenzt ist – in Deutschland noch mehr als in den USA.
Unsere Aufgabe ist es, Geschichtenerzähler zu sein – es reicht nicht, jemanden zu fassen. Wir sammeln Informationen, die sowohl die Schuld, als auch die Unschuld von Tatverdächtigen beweisen können und bereiten sie schlüssig auf.
Matthew Allen erläutert die verschiedenen Werkzeuge und Methoden, die das FBI bei der Aufklärung von Cold Cases einsetzt und auch der deutschen Polizei zur Verfügung stellt, von der Gesichtserkennung bis zu Fingerabdrücken. Die Methoden gleichen denen in Deutschland – und dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied: Das FBI speichert zum Beispiel Fingerabdrücke in ihrem Bestand für immer, verfügt über eine Datenbank mit aktuell rund 70 Millionen Daktylogrammen, so der aus dem Altgriechischen abgeleitete Fachbegriff. Allen hob die Bedeutung wissenschaftlicher Untersuchungen hervor, die so gestaltet sind, dass sie vor Gericht Bestand haben. Ein bemerkenswerter Fall, der kürzlich durch die Zusammenarbeit gelöst wurde, betraf einen unaufgeklärten Mord in Deutschland, der Jahrzehnte zurückliegt. Ein Fingerabdruck, der 1978 am Tatort gefunden wurde, führte vor kurzem zur Identifizierung des mutmaßlichen Mörders. Der Amerikaner wird nun zur Gerichtsverhandlung an Deutschland ausgeliefert.
Ein Fingerabdruck, der 1978 am Tatort gefunden wurde, führte vor kurzem zur Identifizierung des mutmaßlichen Mörders. Der Amerikaner wird nun zur Gerichtsverhandlung an Deutschland ausgeliefert.
Internationale Vernetzung auf Arbeitsebene
Im Publikum saßen neben den Studierenden zum ersten Mal Vertreterinnen und Vertreter von Sicherheitsbehörden aus Berlin, Brandenburg und dem BKA. Die über 60 Zuhörerinnen und Zuhörer nutzten die Möglichkeit, von den Berichten der FBI-Vertreter zu profitieren und eigene Berufserfahrungen mit den amerikanischen Counterparts und angehenden Kriminalkommissarinnen und -kommissaren zu teilen.
"Durch persönliche Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen von Ermittlungsbehörden aus anderen Ländern legen wir die Basis für eine mögliche künftige Zusammenarbeit, zum Beispiel um zur Aufklärung von Straftaten gegenseitig auf wertvolle Daten zuzugreifen. Solche Veranstaltungen ermöglichen es uns, konkrete Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner kennenzulernen, die internationale Kooperation anzubahnen und zu stärken", sagt Jana Hofmann, stellvertretende Leiterin der 7. Mordkommission beim Landeskriminalamt Berlin.
Werte und Ziele des Polizeistudiums
„Wir wollen keine Cold-Case-Ermittlerinnen und -Ermittler ausbilden, aber dennoch den Studierenden anhand der Analyse von umfassenden Ermittlungen bei ungeklärten Tötungsdelikten die kriminalistische Vorgehensweise vermitteln. Im Zentrum steht, wie wichtig die ersten Maßnahmen am Tatort sind, wie man aus verschiedenen Perspektiven und unter Anwendung von modernen Methoden einen Kriminalfall analysieren kann“, erklärt Christian Martin und verweist auf den Austausch und die Zusammenarbeit mit der Polizei in Berlin und Brandenburg, ohne die dieses praxisnahe Cold-Case-Vertiefungsmodul nicht in der hohen Qualität angeboten werden könnte. Das Vertiefungsmodul wird in zwei Themenrichtungen angeboten: einem kriminalistisch ausgerichteten Teil gemeinsam mit Prof. Christian Matzdorf und einer kriminologischen Komponente, unterrichtet von Prof. Dr. Marc Coester und Prof. Dr. Vincenz Leuschner.
„Unser Ziel ist es, unser Studienangebot für Polizeistudierende praxisnah, interdisziplinär und international zu gestalten. Offenheit, Mut, kritische Reflexion, dialogischer und respektvoller Umgang miteinander sowie persönliche Entwicklung und Selbstbewusstsein sind die zentralen Werte und Ziele, die wir vermitteln wollen“, betont zusammenfassend die Erste Vizepräsidentin der HWR Berlin und langjährige Dekanin des Fachbereichs Polizei und Sicherheitsmanagement, Prof. Dr. Sabrina Schönrock.
Fachliche Ansprechpartner
Christian Martin
Tel.: +49 (0) 30 30877- 2859
E-Mail: christian.martin(at)hwr-berlin.de
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