Regierungen durch Engagement zum Handeln bewegen
Bevor Prof. Dr. Ekkehard Strauß an die HWR Berlin gewechselt ist, hat er in Jordanien als Berater für die Vereinten Nationen gearbeitet. Unter anderem für Responsibility to Protect (R2P).
Was hat Sie bewegt, in die Lehre zu wechseln und Ihre Erfahrungen an Studierende weiterzugeben?
Während meiner Berufstätigkeit habe ich immer wieder den akademischen Austausch gesucht, um Theorie und Praxis zu verbinden. Gerade in Deutschland haben sich Entscheiderinnen und Entscheider in Wirtschaft und Politik daran gewöhnt, dass der Schutz der Menschen durch nationale Vorschriften und Verfahren dem internationalen Menschenrechtsschutz automatisch entspricht und ihn oft sogar noch überbietet. Die Anzahl und Dichte der internationalen Vorschriften und Entscheidungen führt jedoch auch in Deutschland zu einem zunehmenden Regelungs- und Umsetzungsdefizit.
Zudem werden häufig noch in der Entstehung begriffenen Standards von der Öffentlichkeit und von der international vernetzten Zivilgesellschaft genutzt, um auf Defizite und Verstöße hinzuweisen. Hier können wir in Deutschland von den Erfahrungen in anderen Ländern profitieren. Gerade im Bereich der Polizei und des Sicherheitsmanagements kann ich bei der Internationalisierung der Ausbildung helfen.
Bei Responsibility to Protect (R2P) solidarisieren sich Menschen weltweit mit gefährdeten Mitmenschen und fordern ihre Regierungen zum Handeln auf. Inwiefern hat Sie die Mitarbeit geprägt?
Die Vereinten Nationen (UN) sind nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet worden, um massenhafte Menschenrechtsverletzungen durch Krieg und humanitäre Katastrophen zu verhindern. Den Gründerinnen und Gründern der Organisation war der Zusammenhang zwischen Unterdrückung und Gewalt gegen die eigene Bevölkerung und der Erhaltung des Weltfriedens durch das Verhalten Nazideutschlands sehr bewusst. Wir haben dieses Bewusstsein nur noch begrenzt.
Während sich die Erkenntnis von gegenseitiger Abhängigkeit etwa beim Klimaschutz, der Pandemiebekämpfung, dem Terrorismus oder dem Umgang mit Flüchtlingskrisen langsam durchsetzt, wird der Umgang einer Regierung mit den Menschen in ihrem Land immer noch weitgehend als innere Angelegenheit angesehen und eine Einmischung unter ethischen oder moralischen Gesichtspunkten diskutiert.
Dies liegt teilweise auch an der Schwierigkeit, in diesem Bereich den Zusammenhang zwischen Präventionsmaßnahmen und späteren Geschehensabläufen wissenschaftlich zu beweisen. Die Responsibility to protect eröffnet uns Handlungsmöglichkeiten in den extremen Fällen, in denen wir Fortschritte machen müssen, wenn wir die internationale Rechtsordnung nicht insgesamt schwächen wollen. Auch verschiedene Hochschulen engagieren sich in diesem Bereich.
Wie kann das Engagement einer Hochschule, ihrer Studierenden, Lehrenden und Beschäftigten beispielhaft aussehen?
Es gibt viel Engagement und Solidarität mit Flüchtlingen in Deutschland und in ihren Herkunftsländern in Form von Spenden und Entwicklungshilfe. Die Menschen nehmen auch Teil an den Entwicklungen etwa in Belarus, fühlen sich aber häufig hilflos. Die Mitglieder der Hochschule könnten dazu beitragen, die direkten und indirekten Auswirkungen von Konflikten auf Deutschland zu erklären und Kommunikationsräume mit Menschen aus den betroffenen Ländern bieten.
Partnerschaften mit Hochschulen in Ländern, die einem Risiko schwerer Menschenrechtsverletzungen besonders ausgesetzt sind, können Gesprächskanäle öffnen und gemeinsames Lernen fördern. Langfristige Partnerschaften bieten die besten Aussichten auf Resilienz in Krisenzeiten. Außerdem können bessere Kenntnisse von den Akteuren und Instrumenten der R2P fachübergreifend die Entwicklung von Lösungsvorschlägen unterstützen.
Auf welchen Ort der Welt schauen Sie aktuell mit den größten Sorgen – und warum?
Je nachdem, welchen Aspekt man in den Vordergrund stellt, ergeben sich unterschiedliche Sorgen. Wir sollten uns immer dann Sorgen machen, wenn Konflikte die Grenzen gemeinsamen internationalen Engagements aufzeigen.
Überall dort, wo die internationale Gemeinschaft insbesondere im UN-Sicherheitsrat keine gemeinsame Position findet, sich in Konflikte wegen Verletzung grundlegender Menschenrechte oder der R2P einzumischen, werden Freiräume auch für andere Regierungen geschaffen. Das System der kollektiven Sicherheit versagt. Verletzungen nach innen gehen auf Dauer immer einher mit Aggression nach außen, um Einmischung zu verhindern.
Daher sind die Situationen in Myanmar, in Äthiopien, in der Ukraine, in Belarus aber auch in Polen und Ungarn besonders besorgniserregend.
In welcher Form könnte aus Ihrer Sicht jede und jeder von uns im Alltag ein Stück Verantwortung übernehmen, um Menschenrechte besser zu schützen?
Die Einbeziehung von Menschenrechten in Entscheidungen führt immer zu besseren Ergebnissen. Entscheidungsprozesse werden vielleicht umständlicher, aber die Lösungen werden nachhaltiger. Jede und jeder kann sich zunächst darum bemühen, die Menschen, die von unseren Entscheidungen betroffen sind, vorher anzuhören. Statt über sie zu sprechen, sollten wir sie einbeziehen, insbesondere Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen.
Dann sollten wir uns bei jeder Entscheidung fragen, ob sie Menschen gewollt oder ungewollt im Ergebnis diskriminiert. Das Gefühl, im Vergleich zu anderen ungerecht behandelt worden zu sein, ist eine häufige Konfliktursache in Gemeinschaften. Schließlich hilft es, sich zu vergegenwärtigen, wer für eine bestimmte Situation eigentlich verantwortlich ist. Hier helfen Menschenrechte, Rechte und Pflichten zu analysieren. Dies hilft, zwischen rechtlicher Verantwortlichkeit und Solidarität und Engagement zu unterscheiden.
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