»Welchen Beitrag können wir leisten?«
Katharina Gapp-Schmeling begleitet Studierendenprojekte der HWR Berlin beim Verband Haus- und Wohneigentum. Im Interview spricht sie über Nachhaltigkeit und Klimaschutz in Siedlergemeinschaften.
Frau Gapp-Schmeling, welche Aufgaben haben Sie als Nachhaltigkeitsberaterin?
Als Organisations- und Nachhaltigkeitsberaterin habe ich verschiedene Aufgaben: Im Rahmen der Restrukturierung der Geschäftsstelle haben wir die operativen Prozesse neu und effizienter gestaltet, wir arbeiten an einem effizienten Dokumentenmanagement. Dabei sind natürlich die Vorgaben der DSGVO zu beachten. Der Verband hat in Berlin nur eine kleine Geschäftsstelle und ist vergleichbar mit einem KMU. Auch viele KMU, mit denen die HWR Berlin zusammenarbeitet, stehen vor der Herausforderung, ihre Organisation und ihre Prozesse zu verbessern. Dabei sind die Herausforderungen so vielfältig, dass es einen Allrounder braucht, der in verschiedenen Fragen unterstützen kann.
Im Verband Haus- und Wohneigentum (VWE) schauen wir in die Zukunft und arbeiten an der Frage: Was brauchen unsere Mitglieder, um einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten zu können? Welchen Beitrag können wir leisten? In diesem Rahmen wird sich der VWE im Herbst gemeinsam mit der HWR Berlin auf ein Projekt bewerben. Ziel ist es, die Ehrenamtlichen des Verbandes weiterzubilden, so dass sie einen Beitrag zu Klimaschutz und Klimaanpassung in den Siedlergemeinschaften leisten können.
Wo stehen wir heute aus Ihrer Sicht in Sachen Nachhaltigkeit?
Diese Fragen können wir nur aus Sicht des selbstgenutzten Wohneigentums in Berlin und Brandenburg beantworten. Hier gibt es einen Zielkonflikt: Einerseits leisten unsere Mitglieder wichtige Beiträge zur Klimaresilienz und Nachhaltigkeit in Berlin, andererseits gibt es den Bedarf und das Drängen in der Berliner Politik, dass Wohnraum durch Nachverdichtung geschaffen werden soll. Die Gärten bieten Raum für Biodiversität. Die zusammenhängenden Grünflächen der Siedlergemeinschaften können positiv auf das Stadtklima wirken. Die Erbbausiedlungen haben außerdem eine sozial-durchmischte Struktur der Siedler/innen. Aus unserer Sicht ist dies ein wichtiger Beitrag. Selbst genutztes Wohneigentum sollte nicht nur für das obere Einkommensdrittel verfügbar sein. Diese vielfältigen Beiträge der Siedlergemeinschaften wollen wir stärker sichtbar machen.
Die Herausforderungen im Bereich Wohnen in Berlin sind vielfältig: Auch im Rahmen unseres aktuellen Forschungsprojektes an der HWR Berlin zur kommunalen Wärmewende stellen wir fest, dass gemeinsam Antworten auf diese Herausforderungen und die daraus resultierenden Zielkonflikte gefunden werden müssen.
Sie begleiten Studierende bei der Umsetzung ihrer Praxisprojekte für den Verband Haus- und Wohneigentum. Inwiefern leisten diese mit ihren Projekten einen Beitrag zur Nachhaltigkeit?
Der Verband Wohneigentum vergibt seit 2014 regelmäßig Projekte an Studierende der HWR Berlin. Dies geschieht z.B. auch im Masterstudiengang Nachhaltigkeits- und Qualitätsmanagement. Dort haben Studierende vor fünf Jahren das erste Nachhaltigkeitskonzept für die Siedlergemeinschaften erstellt. Die Studierenden des Studiengangs Wirtschaftsingenieur/in Umwelt und Nachhaltigkeit haben in den vergangenen Jahren z.B. einen Gebäudeenergiecheck erarbeitet, Nachhaltigkeitskriterien für unseren Landeswettbewerb „Die beste Kleinsiedlung“ überarbeitet und vieles mehr.
Im letzten Jahr hat ein Team den Beitrag der Siedlergemeinschaften zu den einzelnen SDG (Nachhaltigkeitsziele der UN, die auch für die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie gelten) analysiert. Diese Analyse war Basis für das diesjährige Projekt. Die Studierenden hatten die Aufgabe, den Beitrag der Siedlergemeinschaften sichtbar zu machen. Dazu haben sie drei Beiträge für die Webseite des Verbandes erarbeitet.
Hand aufs Herz: Wie gut gelingt es Ihnen, Ihre Empfehlungen für nachhaltiges Wohnen & Leben im eigenen Alltag umzusetzen?
Die Frage trifft ins Herz: Ich bin selbst Wohneigentümerin in Brandenburg. Wir sanieren gerade unser Einfamilienhaus, das 1912 gebaut wurde. Wir werden den KfW-70-Standard schaffen und achten – wo immer möglich – auf die Verwendung ökologischer Baustoffe. Wir setzen auf Solarthermie, einen heizungsunterstützenden Kamin und eine PV-Anlage. Auch hier gibt es einen Zielkonflikt: Unter Ressourcenschutzgründen wollen wir so viel wie möglich von der alten Bausubstanz erhalten. Das ist aber im Hinblick auf die Energieeffizienz nicht immer die beste Lösung. Hinzu kommt, dass der bürokratische Aufwand selbst für jemanden wie mich, die ja die Anforderungen und Verfahren gut kennt, relativ groß ist. Aber immerhin: Von unseren Holzfaserdämmplatten haben wir unseren Trockenbauer überzeugt. Er baut sie nun auch im Haus seiner Tochter ein, nachdem er bei uns positive Erfahrungen damit gemacht hat.
Ich selbst bin ja Wirtschaftswissenschaftlerin und habe nur ein grobes technisches Verständnis. Vor der Sanierung hatte mir ein Wirtschaftsingenieur-Masterand der HWR Berlin mal ein paar Tipps gegeben, wie ich die alte Heizung besser einstellen kann. Das hat tatsächlich eine Einsparung von 20% des Gasverbrauchs gebracht.
Im Alltag achte ich auf ressourcenschonendes Verhalten und werbe dafür auch in der Familie. Wir haben einen Teenager im Haushalt, da trifft das nicht immer auf Gegenliebe ????
Im Garten haben wir verschiedene Wildblumen ausgesät. Allerdings konnte ich meine Familie noch nicht von torffreier Blumenerde überzeugen.
Welche Erfahrungen haben die Studierenden im Praxisprojekt gemacht? Was haben sie selbst mitgenommen?
Rückmeldung der Studierenden: Inhaltlich hatten wir sowohl die Möglichkeit, uns erneut mit den SDGs und ihrer Bedeutung auseinanderzusetzen als auch unser bereits vorhandenes Wissen anzuwenden und zu vertiefen. Außerdem wird uns mit Veröffentlichung der Beiträge eine Reichweite geboten, andere Menschen über verschiedene Nachhaltigkeitsthemen zu informieren, die mit unseren eigenen Werten übereinstimmen, und ihr Interesse für Probleme zu wecken, an deren Lösung wir generationsübergreifend arbeiten müssen. Auch uns als Studierende haben die unterschiedlichen Projekte dazu angeregt, das eigene Verhalten erneut zu hinterfragen und Ideen zu entwickeln, wie eine Umsetzung der verschiedenen SDGs in der Gesellschaft gelingen kann.
Die Zusammenarbeit mit dem Verband Haus- und Wohneigentum im Rahmen der Projektarbeit hat es uns ermöglicht, Erfahrungen in verschiedenen Bereichen bezüglich einer Projektarbeit zu sammeln. Dazu gehört zum einen der Austausch mit einem Auftraggeber, zum anderen die Planung und Koordination eines Projekts innerhalb der Teammitglieder. Da wir begleitende Seminare in dem Modul Projektmanagement und Fallstudien hatten, konnten wir durch das Projekt die neu kennengelernten Methoden anwenden und ihre Umsetzbarkeit für uns erproben, zum Beispiel in Form einer Meilensteinplanung oder einer Risikoanalyse. Auf diese Art konnte das Verständnis der verschiedenen Methoden durch die praktische Ausführung getestet und gefestigt werden.
Zur Person
Dr. Katharina Gapp-Schmeling unterrichtet seit 2011 an der HWR Berlin. Derzeit forscht sie am Institut für Nachhaltigkeit der HWR Berlin zur kommunalen Wärmewende und ist als Nachhaltigkeitsberaterin für den Verband Haus- und Wohneigentum tätig. Nachhaltigkeit ist für sie nicht nur Berufung, sondern prägt ihr Handeln in allen Lebensbereichen.
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