Wie sehen die Versicherungen von morgen aus?
Mehr als 100 Gäste diskutierten beim Berliner Forum Digitalisierung des Fachbereichs Duales Studium am 24. September über digitale Lösungen für die Versicherungsbranche.
Im Rahmen seiner Reihe „Berliner Forum Digitalisierung – Hochschule und Praxis im Dialog“ lud das Kompetenzzentrum für Digitalisierung am 24. September 2019 zur Veranstaltung „Digitalisierung in der Versicherungsbranche“ ein. Das Zentrum gehört zum Fachbereich 2 Duales Studium der HWR Berlin. Als Experten sprachen Jens Hasselbächer, Vorstand der R+V Versicherung, sowie Stephan Schinnenburg, Vorstand der Deutschen Familienversicherung. Weit über 100 Gäste nahmen an der Veranstaltung teil, darunter viele Studierende, aber auch Interessierte aus der freien Wirtschaft.
Versicherungen entwickeln digitale Geschäftsmodelle
Die Veranstaltung wurde von Prof. Dr. Thomas Köhne, Leiter der Fachrichtung Versicherung an der HWR Berlin, eröffnet. Zu Beginn erläuterte er, dass alle Wertschöpfungsbereiche der Versicherungsbranche von Digitalisierung betroffen seien. Schließlich würden Versicherungen vornehmlich mit Informationen handeln und diese ließen sich selbstverständlich digitalisieren.
Der Insurance-Technology-Markt, kurz „InsurTech“, weise ein hohes Wachstums- und Entwicklungspotential auf. Unzählige Anbieter würden mit immer neuen Geschäftsmodellen um die Gunst der Kunden und die Gelder der Finanziers werben. Tolle Ideen seien hierbei allerdings noch kein Garant für Erfolg: Vielmehr werde die Zeit und im letzten Schritt die Kundinnen und Kunden selbst bestimmen, welche Ideen sich am Markt tatsächlich längerfristig durchsetzen.
Große Versicherung, große Herausforderungen
Anschließend folgte der Vortrag von Jens Hasselbächer, der als Mitglied des Vorstands der R+V Versicherung über „Bancassurance 2.0 – Neue Digitale Möglichkeiten“ referierte. Die R+V zählt mit über 8,6 Millionen Kunden und über 14.000 Mitarbeitern zu den größten Versicherungshäusern in Deutschland. Eine Versicherung dieser Größenordnung habe ganz andere Herausforderungen zu bewerkstelligen, als kleinere Versicherungshäuser, betonte Hasselbächer.
So sei man gegenwärtig dabei, die Legacy-Systeme, die größtenteils aus den 1970er und 1980er Jahren stammen, zu modernisieren, was einen enormen Aufwand bedeute. Obgleich diese technischen Herausforderungen bestünden, sieht Hasselbächer die Digitalisierung als keine rein technische Herausforderung. Vielmehr müsse man den modernen Kundennutzen verstehen, Prozesse verändern und selbst etablierte Geschäftsmodelle immer wieder in Frage stellen.
Der Weg zum Ziel sei eine Strategie, die digital und doch persönlich sei: Denn obgleich das Internet immer wichtiger für die Versicherungsbranche werde, würden sich zahlreiche Kundinnen und Kunden immer noch erreichbare Ansprechpartnerinnen und -partner wünschen, sodass ein sinnvoller On- und Offline-Mix geschaffen werden müsse. Zudem komme es darauf an, die Kunden auf Grundlage der vorhandenen und neueren Daten individuell zu beraten. Um diese Daten aufzubereiten, benötige die Branche zunehmend agile Datenanalystinnen und -analysten.
Alexa kann auch Versicherungen abschließen
Stephan Schinnenburg repräsentierte im Vergleich ein deutlich kleineres Versicherungshaus, das aufgrund seiner Größe allerdings mehr Flexibilität hinsichtlich neuer Geschäftsmodelle vorweisen kann. Mit 110 Mitarbeitern und rund 420.000 Verträgen − im Vergleich zu 25 Millionen Verträgen bei der R+V Versicherung − baut das Unternehmen voll und ganz auf Digitalisierung.
Die gesamte Strategie des Unternehmens basiere auf dem Grundsatz, dass Kundinnen und Kunden nicht von den Versicherern gebildet werden, sondern umgekehrt. Kundinnen und Kunden würden von ihren netzbasierten Erfahrungen und Erlebnissen beeinflusst, die sie von Amazon, Google und anderen digitalen Unternehmen kennen. Daher würden sie zunehmend erwarten, dass sich auch andere Bereiche dieser Schnelligkeit und Benutzerfreundlichkeit anpassen.
Leicht verständliche, innovative, digitale Lösungen seien die logische Folge. Tatsächlich sei man damit auch erfolgreich, betonte Schinnenburg. Versicherungen über digitale Sprachassistenten abzuschließen, gehöre dazu. Zu seinen Kundinnen und Kunden zählen größtenteils Menschen zwischen 21 und 40 Jahren, die ihre Verträge mittlerweile zu rund 60 Prozent per Handy abschließen. Seine Vision für ein Insur-Tech-Unternehmen des 21. Jahrhunderts: „Versicherungsabschluss in zwei Minuten vor dem TV über Alexa“, sagt Schinnenburg.
Experten aus der Praxis diskutieren mit Studierenden
Im Anschluss an die beiden Vorträge fand eine Podiumsdiskussion statt, die von Prof. Dr. Claudia Lemke, Professorin für Wirtschaftsinformatik am Fachbereich 2 der HWR Berlin, geleitet wurde. Studierende hatten die Möglichkeit, mit den hochkarätigen Gästen aus der Praxis ins Gespräch zu kommen und nutzen diese Chance, weshalb sich eine angeregte Diskussion entwickelte. Das Kompetenzzentrum Digitalisierung bedankt sich bei den Referenten und allen interessierten Gästen.
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