Er hat Politik interessant gemacht
In der Summer School »Students4Refugees« an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin unterrichten Studierende Geflüchtete.
»Wir diskutieren, wir streiten nicht«, dieser Unterschied ist Nila wichtig. In der Gruppe junger Frauen und Männer mit ganz unterschiedlicher Herkunft und Fluchtgeschichte ist an diesem Nachmittag an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin eine lebhafte Debatte entbrannt darüber, was Demokratie ausmacht und ob und inwiefern sie Grenzen setzen sollte, wenn sie von einigen allein zum eigenen Vorteil überstrapaziert wird. Volkswirtschaftsstudent Steffen Redeker hat sein Seminar in der zweiwöchigen Summer School »Students4Refugees« unter die Überschrift gestellt »Wozu brauche ich die Europäische Union?«. Er betont und erläutert, dass es in einer demokratischen Gesellschaft und damit in der europäischen Staatengemeinschaft die oberste Prämisse ist, Konsens zu finden, auf friedlichem Wege.
Nila stammt aus Isfashan im Iran, musste Anfang 2018 aus ihrer Heimat fliehen. Seitdem lebt sie in Deutschland, ohne ihre Familie und Freunde. Sie hat dort Softwareentwicklung und Englisch studiert und war auch als Fotografin tätig. Die 31-Jährige findet das breitgefächerte Kursprogramm überaus interessant und hilfreich. Auf dem Programm stehen politische Themen und der Einstieg in betriebswirtschaftliche Methoden ebenso, wie Bewerbungstrainings und Exkursionen. Besonders Umweltaspekte, der aktuelle öffentliche Diskurs und Bürgerinitiativen wecken Nilas Enthusiasmus. Sie schätzt und erlebt Meinungsfreiheit, die eine Demokratie gewährt, und Gleichberechtigung – hohe Güter, die nicht überall auf der Welt so selbstverständlich sind wie in Deutschland, wie sie weiß. Das Friedensprojekt Europa ist für die gebürtige Iranerin deshalb unbedingt ein Vorbild und sie wünscht sich mehr solcher demokratischer Staatenbündnisse für andere Regionen der Welt. Nila ist den 18 Studierenden der HWR Berlin, die während ihrer Semesterferien als Dozent/innen Kurse anbieten, und den Organisator/innen der Summer School „Students4Refugees“sehr dankbar für diese Chance zur Wissenserweiterung und dafür, dass sie ihre Deutschkenntnisse vertiefen, sich mit anderen Teilnehmer/innen auszutauschen kann.
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Studierende der HWR Berlin unterrichten während ihrer Semesterferien als Dozent/innen Studieninteressierte mit Fluchthintergrund. Die Themen sind vielfältig, das Interesse groß und für alle Beteiligten ein Gewinn.
»Die Summer School für Geflüchtete steht für unser Leitbild, das auf Internationalität, die Übernahme von Verantwortung und das Akzeptieren von Vielfalt setzt«, sagt Vizepräsidentin der HWR Berlin, Prof. Dr. Susanne Meyer. „Die Studierenden, die ehrenamtlich ihr Wissen mit anderen teilen, treffen Studieninteressierte mit Fluchthintergrund. Das gegenseitige Kennenlernen führt zu einem für beide Seiten bereichernden Austausch. Es ist diese Vielfalt, auf die wir stolz sind und die wir als Reichtum betrachten«“, so Meyer.
VWL-Student Steffen Redeker, im 4. Semester an der HWR Berlin und kurz vor seinem Auslandsstudium an der Partnerhochschule in Schottland, ist beeindruckt davon, wie gut die Kursteilnehmer/innen sich thematisch auf das Seminar vorbereitet haben, wie viel sie bereits über die EU wissen. Es kommen viele Fragen, allgemeine und sehr detaillierte. »Er hat Politik interessant gemacht“, so das einhellige und wertschätzende Urteil seiner Zuhörer/innen. Der 25-Jährige, der auch im AstA der Hochschule aktiv ist, leitet zum ersten Mal als Dozent ein Seminar an der HWR-Summer School für Geflüchtete. Davor begleitete er ein Jahr lang ehrenamtlich eine Willkommensklasse im Stadtteiler Steglitz.
Ab September bietet die HWR Berlin wieder Deutschkurse (Niveau C1) für Geflüchtete an. Nila hat hier schon erfolgreich den B2-Kurs absolviert und will weitermachen. Ihr Ziel ist es, in Deutschland noch einmal zu studieren, um bald als Fachinformatikerin arbeiten zu können.
Kontakt
Andreas Hirsch-Landau
Tel. +49 30 30877-1549
E-Mail: andreas.hirsch-landau(at)hwr-berlin.de