Elektronische Prüfungen an Hochschulen
Die Bewerbungsfrist für den vom Berliner Senat mit einem Stipendium geförderten Studiengang Verwaltungsinformatik läuft bis um 15. Juli. Die Jahrgangsbeste 2019 im Interview zu E-Assessments.
Die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin lobt jedes Jahr am Fachbereich Allgemeine Verwaltung den mit 500 Euro dotierten Gedächtnispreis zu Ehren von Prof. Dr. Margit Falck aus. Die Wissenschaftlerin forschte und lehrte bis 2007 an der Hochschule mit dem Scherpunkt Modernisierung und Geschäftsprozessmanagement in der öffentlichen Verwaltung.
In diesem Jahr ging die Auszeichnung unter den 123 Absolventinnen und Absolventen an die Jahrgangsbeste des Bachelorstudiengangs Verwaltungsinformatik, Doreen Ehrlich, für ihre Abschlussarbeit zum Thema E-Assessment an Hochschulen. Die Preisträgerin im Interview:
Wie verbreitet sind elektronische bzw. Online-Prüfungen in Deutschland und darüber hinaus?
Bundesweit nutzen Universitäten und Hochschulen elektronische Prüfungen schon seit einiger Zeit. Dazu gehören die Berliner Humboldt-Universität und die Technische Universität, die Technische Hochschule Wildau, die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, die Universitäten in Potsdam und Darmstadt und die Hochschulen in Hannover und München. Die Freie Universität Berlin verfügt über ein eigenes E-Examinations Center. Gerade im deutschsprachigen Raum besteht großes Interesse an dem Thema. Die ETH Zürich setzt E-Prüfungen schon seit 2011 ein und entwickelt den Multiple-Choice- Fragetypus weiter.
Müssen in schriftlichen Prüfungen künftig nur noch Kreuze gesetzt werden? Bleibt der wissenschaftliche Nachweis, erworbenes Wissen verarbeiten und Zusammenhänge ableiten zu können, dabei nicht auf der Strecke?
Nein, es werden nicht nur Kreuze gesetzt. Es ist genauso möglich, so genannte offene Fragetypen zu wählen. Bei Freitextaufgaben verfassen Studierende in einem Editor ihren Antworttext, quasi wie in einer handschriftlichen Klausur. Nur schreiben sie eben nicht mit einem Stift, sondern die Texteingabe erfolgt über Tastatur. Diese werden nicht bzw. nur zum Teil vom System ausgewertet, sondern immer noch durch die Prüferin und den Prüfer selbst. Umfangreiche wissenschaftliche Arbeiten wie Hausarbeiten und Abschlussarbeiten werden ja weiterhin wie gehabt angefertigt und zusätzlich in elektronischer Form eingereicht.
Wie wird sichergestellt, dass die Prüfung wirklich von der oder dem Studierenden abgelegt wurden, die oder der sich angemeldet hat?
Die elektronischen Prüfungen finden unter Aufsicht statt. Es erfolgt der obligatorische Identifikationsabgleich vor der Prüfung per Teilnehmerliste und während der Prüfung durch Abgleich der Informationen auf dem Studierendenausweis mit den Angaben der Prüfungsumgebung, die ständig angezeigt werden. Mittels personengebundener Nutzerkonten wird der Zugriff auf die Prüfungsumgebung freigegeben. Entsprechende Beschränkungen verhindern, dass andere Webseiten als die der Klausur aufgerufen werden können. Ebenso blockieren technische Lösungen in den Klausureinstellungen den Zugriff von außen. Es gibt verschlüsselte Verbindungen und Protokolle, Log-Dateien werden generiert. Manche Bildungseinrichtungen filmen den kompletten Prüfungssaal und die Interaktionen auf dem Bildschirm.
Weshalb setzen Hochschulen auf Online-Prüfungen?
Sie gehen mit der Zeit und setzen die Digitalisierungsstrategie des Bologna-Prozesses für den europäischen Hochschulraum um. Für die Generation der Studierenden ist Digitalisierung ohnehin nicht Zukunft, sondern gelebte Realität. Im späteren Job wird das Beherrschen von Hardware und Software vorausgesetzt. Außerdem sind E-Prüfungen umweltschonend, weil weniger Papier verbraucht wird.
Für welche Fächer bieten sich Online-Prüfungen an?
Generell eignen sich elektronische Prüfungen für alle Fächer. Einschränkungen bzw. einen höheren Aufwand oder gar nur teilweise Anwendbarkeit sehe ich im künstlerischen Bereich, wenn Musikinstrumente zum Einsatz kommen oder bei gestalterischen Kunstrichtungen.
Was hat Ihre Befragung ergeben, welche Vorteile schätzen Anwender/innen?
Mit großer Erleichterung hoben befragte Lehrende heraus, dass das Entziffern von Handschriften wegfällt und dies enorm Zeit spart. Auswertungen können automatisiert werden, Ergebnisse stehen den Studierenden schneller zur Verfügung. In Modulen mit elektronischem Anwendungsbezug werden Aufgaben direkt in den im Seminar benutzten Programmen durchgeführt, wie technische Zeichnungen in einem CAD-Programm oder das Testen von Quelltexten in einer Entwicklungsumgebung. Das lässt Raum für anspruchsvollere Fragestellungen und mehr Wissensanwendung statt Wiedergabe. Es ergeben sich überhaupt ganz neue Optionen für die Aufgabenstellung, da auch mediale Inhalte wie Videos oder der Zugriff auf verschiedene Programme möglich sind. Das findet auch die Mehrheit der befragten Studierenden gut.
Welche nächsten Schritte braucht es, um Online-Prüfungen flächendeckend zu etablieren?
Die Rahmenstudien- und Prüfungsordnungen müssen angepasst werden. Archivierung ist ein wichtiges Thema. Lehrende und Studierende brauchen Schulungen, Räume müssen entsprechend ausgestattet und eingerichtet werden. Das reicht vom Sichtschutz bis zu den Nutzerrechten auf den Endgeräten, von redundanter Stromversorgung bis zur Netzwerkstabilität und, nicht zu vergessen, personellem Service und Support. Hier bieten sich aus meiner Sicht Kooperationen zwischen den Hochschulen an, um standortunabhängige Prüfungen unter Aufsicht anbieten zu können. Mit Learning Management Systemen wie Moodle ist das Fundament schon gelegt.
Welche Erkenntnisse haben Sie überrascht bei Ihren Recherchen bzw. deren Auswertung?
Ich war erstaunt über die hohen Sicherheitsanforderungen an Authentizität und Integrität, die für elektronische Prüfungen gefordert sind. Durch den engen rechtlichen Rahmen liegen die Barrieren sehr hoch. Absicherung gegen Betrug ist ohne Zweifel wichtig, doch bei keiner Prüfungsform können sämtliche Sicherheitsrisiken ausgeschlossen werden. Spannend fand ich, dass die Studierenden durchschnittlich nach zwei Minuten den Versuch aufgaben, aus dem Safe Exam Browser, der gesicherten Prüfungsumgebung, auszubrechen. Und ich war überrascht, dass mich eine relativ einfache Software so begeistert.
Weitere Informationen zum Studiengang Verwaltungsinformatik an der HWR Berlin und dem Stipendium des Berliner Senats