Neuigkeit | Fachsymposium

(Um)Bauen, (Um)Lernen, (Um)Denken

Im Zentrum des 2. Fachsymposiums zum Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz stand das Thema "Ur-bane Resilienz – Der Schutz des öffentlichen Raumes".

28.01.2019

Im Rahmen der interdisziplinären Veranstaltungsreihe zu Sicherheitsthemen im Kontext von Terrorismus, die 2017 von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport und der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin gemeinsam ins Leben gerufen wurde, tauschten sich am 19. Dezember 2018 Akteur/innen und Entscheidungsträger/innen aus Politik, Wissenschaft und Verwaltung im Bärensaal der Berliner Innenverwaltung über Aspekte der Widerstandsfähigkeit von Stadtgesellschaften  gegenüber Terroranschlägen aus.    

Gedankenvoll still ist es, als der Berliner Innensenator, Andreas Geisel, am 19. Dezember 2018 die ersten Worte seiner Eröffnungsansprache im symbolträchtigen Bärensaal nicht an die 160 Fachteilnehmenden aus ganz Deutschland, Israel, Österreich, Großbritannien und der Schweiz richtet, sondern an die Opfer und Angehörigen des Terroranschlages auf dem Berliner Weihnachtsmarkt vor zwei Jahren, „denen unsere Gedanken an diesem Tag vorrangig gewidmet sind“.

Geisel betont in seiner Rede, dass in den vergangenen zwei Jahren bereits viele sichtbare und unsichtbare Maßnahmen getroffen wurden, die die Sicherheitsarchitektur der Stadt  verbessert haben. Allerdings darf es nicht nur „schnelle Lösungen“ geben, so Geisel, sondern der kontinuierliche Erfahrungsaustausch ist wichtig, um dauerhafte, geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Es folgen mahnende Worte des Präsidenten der HWR Berlin. Prof. Dr. Andreas Zaby führt Welt-offenheit und Antisemitismus-Prävention, zwei Prinzipien zu die sich die HWR Berlin ausdrücklich bekennt, als  wesentliches Fundament der Terror-ismus-Prävention an. Er verweist zudem auf die globale Bedeutung des Tagungsthemas, denn Sicherheit in Städten ist ein zentraler Grundsatz der Charta der Vereinten Nationen.

Die Dekanin des Fachbereiches Polizei und Sicherheitsmanagement der HWR Berlin, Prof. Dr. Sabrina Schönrock, eröffnet das Podium für die Gastredner. Zuerst spricht ein Experte des Centre for the Protection on National Infrstructure (CPNI) in London über die historisch gewachsene  Bedeutung der physischen Sicherheit in England. In seiner anschaulichen  Keynote “Advances in Protective Security and Blending Hostile Vehicle Mitigation in to the Public Realm” präsentiert er dem Fachpublikum, wie bauliche Schutzvorkehrungen in England mit der städtischen Umgebung verschmelzen. Die hohe Kunst der Sicherheit sei es, zwar überall zu sein - jedoch nirgendwo sichtbar.

Dass die Raumstruktur auch die Kriminalitätsstruktur beeinflusst, lernen wir aus dem zweiten Beitrag „Städtebauliche Kriminalprävention – Schutz des öffentlichen Raumes“ von Prof. Dr. Marc Coester,  Kriminologe an der HWR Berlin. Gut instandgehaltene Gebäude und öffentliche Räume sind eine wichtige Grundlage für objektive und subjektive Sicherheit. Coester betont allerdings, dass städtebauliche, kriminalpräventive Maßnahmen insbesondere den rationalen Täter abschrecken – irrationale, terroristische Taten hingegen, werden nicht durch technisch-bauliche Maßnahmen allein abgehalten. Vielmehr müsse das Gemeinschaftsgefühl gestärkt werden, denn nur im Einklang mit sozialem Zusammenhalt könne Gewalt zuverlässiger entgegengewirkt werden.

Der beratende Ingenieur, Prof. Dr.-Ing. habil. Norbert Gebbeken von der Universität der Bundeswehr München eröffnet seinen Vortrag „Verpollerung der Städte“ mit der Feststellung, dass es in Deutschland auf dem Gebiet der Stadtplanung in Verbindung mit Terrorschutz Nachholbedarf gibt.  Er plädiert für möglichst wenig sichtbare, ins Stadtbild passende Schutzsysteme mit Mehrfachnutzen für den öffentlichen Raum. Als Beispiel für solche multifunktionalen Lösungen führt er die explosionshemmende Wirkung von Heckenpflanzen wie Thuja und Eibe an. Das Besondere bei den Nadelpflanzen ist, so Gebbeken, „das sie neben dem Sprengschutz auch noch die Städte herunterkühlen und wir so auch auf den Klimawandel reagieren können.“ Als Ergebnis hält er fest, dass Urbanität und räumlicher Schutz vor Terrorakten keinen Widerspruch darstellen müssen, wichtig ist allerdings eine frühe und richtige Planung.

Während einer aktiven Pause mit Poster-Session erhielten die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich mit acht unterschiedlichen Forschungsthemen, die alle einen Bezug zur Thematik des Symposiums aufwiesen,  zu beschäftigen und mit den Autoren und Autorinnen in den Austausch zu treten. Ausgestellt wurden neben Bachelor- und Masterarbeitsthemen von Absolventen der HWR Berlin, auch Forschungsaktivitäten im Kontext des Forschungsinstituts für private und öffentliche Sicherheit (FÖPS).

Konkrete Möglichkeiten und Maßnahmen zum Schutz öffentlicher Räume wurden sodann international und -disziplinär im Rahmen sechs parallel durchgeführter Workshops diskutiert.

Dabei wurde die Wirksamkeit permanenter und temporärer Sperrmittel wie Poller verglichen (Workshop 1, Jörg Rock & Stephan Elsner), ein Modell für praktische Vulnerabilitätsanalysen und Resilienzkonstruktionen in sozial-räumlichen Gefügen erläutert (Workshop 3, Prof. Dr. Gabriela Christmann & Prof. Dr. Anna Daun) und Herausforderungen, mit denen Sicherheitsbehörden bei Großveranstaltungen konfrontiert werden, betrachtet (Workshop 4, Prof. Marcel Kuhlmey & Peter Hartmann). Zudem wurden Optionen zur Intervention und  Verhinderung von Überfahrtaten erörtert (Workshop 5, Dirk Schipper-Kruse & Prof. Dr. Birgitta Sticher) sowie Praxisbeispiele zur Förderung von Resilienz in Städten in Israel (Workshop 2, Dr. Eric Zimmermann & Prof. Dr. Hartmut Aden) und Österreich (Workshop 6, Mag. Wolfgang Müller & Dipl.-Ing. Dr. Peter Lux) vorgestellt.

„Die Fähigkeit einer Stadt, auf Terror und Krisen zu reagieren, ohne das zu verlieren, was sie reizvoll, lebens- und liebenswert macht, zeichnet urbane Resilienz aus“, resümierte Prof. Dr. Sabrina Schönrock im abschließenden Ausblick. Auch wenn eine vollständige Unverwundbarkeit nicht zu erreichen ist, so Schönrock, zeigen die Ergebnisse der Tagung, dass es zumindest diverse Möglichkeiten und Chancen gibt, die negativen Auswirkungen zu minimieren. Zum Ende kündigt die Dekanin des Fachbereiches Polizei und Sicherheitsmanagement an, dass die gewonnen Erkenntnisse des Tages, wie bereits zum 1. Fachsymposium, gesammelt in einem Tagungsband erscheinen werden.

Eine inhaltliche und visuell sehr anschauliche Zusammenfassung der Tagung zeigt das Abschlusswerk des Live-Künstlers, Mike Klar, der das Fachsymposium nunmehr zum zweiten Mal zeichnerisch begleitete.

Sarah Geißler