Ein Arbeitsleben für die Bibliothek

Ende Oktober trete ich in den Ruhestand. Meinen Kolleginnen und Kollegen, die mich darum beneiden, sage ich, dass ich lieber noch zwanzig Jahre arbeiten würde, wenn ich dafür auch zwanzig Jahre jünger sein dürfte.

Abschied und Rückblick

Die Zeit des Abschieds ist zugleich eine des Rückblickens. Nach dem Abitur studierte ich am Institut für Bibliothekswissenschaften der Freien Universität – in der Fachrichtung: wissenschaftliches Bibliothekswesen. Mein gesamtes berufliches Leben arbeitete ich im Hochschulbereich: Angefangen vom Praktikum an der TU Berlin über den Aufbau zweier Teilbibliotheken, deren Leitung mir recht bald übertragen wurde, an der damaligen Technischen Fachhochschule Berlin bis hin zur Leitung der Bibliothek der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin (FHVR). 2009 fusionierte die FHVR mit der Fachhochschule für Wirtschaft zur HWR Berlin und ich übernahm die Leitung der Bibliothek in corpore, freilich mit Schwerpunkt am Standort Lichtenberg. Durch die Erkrankung meiner Kollegin kümmerte ich mich in den letzten viereinhalb Jahren um beide Bibliotheksstandorte.

Lebenslanges Lernen

Fortbildungen waren für mich immer wichtig: Sie garantieren neben dem regelmäßigen Lesen von Fachzeitschriften auf der jeweiligen Höhe des Bibliothekswesens zu bleiben. Folglich absolvierte ich annähernd 40 Fortbildungen. Eine der wichtigsten Weiterbildungen stellte das berufsbegleitende Qualifizierungsprogramm ‚Bibliotheksmanagement‘ mit Zertifikat der FUB, der HUB und FH Potsdam (2005-2006) für Führungskräfte dar.

Um nicht dem grauen Berufsalltag anheimzufallen, blickte ich in vielerlei Hinsicht über den Tellerrand. Und das, was ich sah, konnte ich wiederum mit Gewinn in meine tägliche Arbeit einbringen und zugleich mein Wissen intern und extern weiterreichen.

So war ich knapp 20 Jahre als Dozent für die Qualifizierung von Bibliotheksbeschäftigten am Weiterbildungszentrum der FU Berlin tätig.  Dort betreute ich ferner eine Vielzahl an Projekten – um nur einige zu nennen: ‚Open Access in Bibliotheken‘, ‚Stalking in Bibliotheken‘, ‚Ein Bibliotheksgesetz für Berlin – Wahlprüfsteine von dbv und BIB zur Abgeordnetenhauswahl …‘, ‚Praktische Probleme des Urheberrechts in Bibliotheken‘. An einer nebenberuflichen Lehrtätigkeit hatte ich immer besonders viel Freude. So arbeitete ich acht Jahre lang als Dozent an der Verwaltungsakademie Berlin (VAk, zentrale Fortbildungseinrichtung für die Berliner Verwaltung). In einem meiner Seminare zur Nutzung von Juris nahmen Bibliothekare, Mitarbeitende aus den Justiziariaten und Richter sowie IT-Systembetreuer teil – eine illustre Mischung. An der Vorgängereinrichtung der HWR Berlin erteilte man mir Lehraufträge am Fachbereich Rechtspflege. Ansonsten arbeitete ich Mitte der 90er Jahre als Dozent noch für das Institut für Wissenstransfer in Verwaltung und Rechtspflege e. V. (IWVR); lang ist’s her.

Als Dozent auf Tagungen und Konferenzen

Begünstigt durch meine Dozententätigkeiten hielt ich kontinuierlich viele bibliotheksfachliche Vorträge und Referate auf Foren, Tagungen und Konferenzen: z. B. ‚Die Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung an der Bibliothek der HWR Berlin‘; ‚Datenschutzrechtliche und datensicherheitstechnische Anforderungen an SunRise‘; ‚Bibliotheksgesetzgebung in Deutschland‘. Meinen ersten Vortrag  hielt ich 1988 auf dem Bibliothekskongress in Berlin zur ‚Sacherschließung in Fachhochschulbibliotheken‘.

Ich veröffentlichte zwei Fachbücher zum Bibliothekswesen, viele Artikel, Beiträge und Berichte in bibliothekarischen Fachzeitschiften und Sammelwerken, in juristischen und informationstechnischen Fachzeitschriften, hochschulinternen Veröffentlichungsmedien.

Überdies hatte ich verschiedene Funktionen in bibliothekarischen Gremien inne: (aktuell) Mitglied für die Sparte der Berliner Hochschulbibliotheken (HaWen) im Kuratorium des Kooperativen Bibliotheksverbundes Berlin-Brandenburg (KOBV); davor über zehn Jahre im Hauptausschuss des KOBVs; seit 2001 Vorsitzender der AG der Leiter/innen der Berliner Hochschulbibliotheken; Vorsitzender des SISIS-Anwenderforums u. a. m.

Ehrenamt

Freilich darf das öffentliche Ehrenamt in meiner beruflichen Vita nicht fehlen: Ich war von 2016 bis 2023 ordentliches Mitglied im staatlichen Prüfungsausschuss (Vertreter der Lehrer/innen) für die Abnahme von Zwischen- und Abschlussprüfungen im Ausbildungsberuf Fachangestellte/r für Medien und Informationsdienste an der VAk.

In den Hochschulen, für die ich arbeitete, beteiligte ich mich aktiv in den Gremien der Selbstverwaltung (Bibliothekskommission-Vorsitz, Kuratorium, Akademischer Senat, Wahlvorstand-Vorsitzender u. a. m.)

Mit der Planung eines eigenen Bibliotheksneubaus auf dem Campus Lichtenberg sowie 16 Jahre später der baulichen Erweiterung der Bibliothek übernahm ich Sonderaufgaben.

Mit allen diesen Tätigkeiten und meinen geliebten Wanderungen in der Natur, zusammen mit meiner Familie, fühlte ich mich in jeder Hinsicht gut und breit aufgestellt für die alltäglichen Herausforderungen meiner Arbeit in der Bibliothek der HWR Berlin. Es gab viel Spannendes und Angenehmes, indes auch schwierige und nervenzermürbende Zeiten. Lautes und Leises.

Gute Aussichten

Was die Leistungsfähigkeit unserer Bibliothek betrifft, bin ich zuversichtlich, denn wir sind gut aufgestellt: Die Digitalisierung der Medienbestände mit ihren Möglichkeiten des Zugriffs von zu Hause aus ist in den letzten Jahren sehr schnell vorangekommen. Open Access ist fest verankert, Transformationsverträge sind geschlossen und werden begleitet. Das neue Öffnungszeitenkonzept zeigt sich ausgesprochen nutzerfreundlich. Die Bedeutung der Bibliothek als Lernort, als dritter Ort wird durch die aktuellen Maßnahmen und auch künftigen Implementationen zu einer Verbesserung der Aufenthaltsqualität beitragen. Unsere geplante Teilnahme an der Fernleihe ist ante portas. Und, und, und.

Ich danke den Kolleginnen und Kollegen aus dem Bibliotheksteam, aus der Verwaltung und den Lehrenden für ihre konstruktive Zusammenarbeit.

Ihr

Frank Wehrand