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POLITEIA-Preis 2023 vergeben

HWR Berlin prämiert herausragende studentische Arbeiten aus den Themenfeldern Frauen- und Geschlechterforschung.

16.07.2024 — Marielle Hermstrüwer

Foto: Kathrin Heller

Den Politeia Preis 2023 erhielt Mark Heeseler für seine Arbeit über die rechtliche Stellung trans- und intergeschlechtlichen Eltern. Laura Pia, Judith Waltl und Lisa Weber wurden mit Politeia Medaillen ausgezeichnet für ihre Arbeiten zu den Themen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben, Labour Market Barriers for the Trans & Nonbinary Community und Frauen in Führungspositionen der Polizei. Judith Waltl konnte ihren Preis leider nicht persönlich entgegen nehmen.

POLITEIA-Preis 2023: Auszeichnung für Mark Heeseler

Mit dem Thema seiner Diplomarbeit „Die rechtliche Stellung trans- und intergeschlechtlicher Eltern – Zum Reformbedarf des Abstammungsrechts“ widmet sich Mark Heeseler einem sehr aktuellen und wichtigen Thema.

Der Absolvent der Rechtspflege am Fachbereich 4 beschäftigt sich in seiner Arbeit mit der Frage, wie die Rechtsstellung trans- und intergeschlechtlicher Personen im Kontext der Elternschaft geregelt ist. Da sich die Benachteiligungen, denen sich trans- und intergeschlechtliche Personen alltäglich ausgesetzt sehen, teilweise auch noch in der aktuellen Gesetzeslage widerspiegeln, widmet sich Heeseler rechtlichen Reformbedarfen, die der Gleichstellung aller Geschlechter auch hinsichtlich der Elternschaft nachkommt.

Die Jury würdigt seine herausragende Arbeit mit dem mit 1.000 € dotierten POLITEIA-Preis.

Herzlichen Glückwunsch, Mark Heeseler! Was hat Sie dazu bewogen, sich diesem Thema zu widmen?

Mark Heeseler: Schon früh in meinem Studium sind wir in einer Vorlesung auf die Problematik des binären Geschlechterverständnisses im Abstammungsrecht gestoßen und die Thematik hat mich seither nicht mehr losgelassen.

Für mich als Ur-Berliner gehört Vielfalt in jeder Hinsicht zum Alltag. Dass die Gesetzeslage aber gerade bei einem so relevanten Thema wie dem Elternrecht einige Personengruppen ungleich behandelt, war für mich befremdlich. Also recherchierte ich zu dem Thema und musste feststellen, dass es in der Rechtswissenschaft erstaunlich wenig Auseinandersetzung mit dem Thema gab. Es gab zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, die die rechtliche Stellung transgeschlechtlicher Eltern klarstellte, doch wurden diese Entscheidungen wenig bis gar nicht kritisch hinterfragt.

Während besonders medienwirksam in den letzten Jahren die Frage der rechtlichen Elternschaft bei gleichgeschlechtlichen Eltern diskutiert worden ist, fanden trans- und intergeschlechtliche wenig bis keine Beachtung, wenn es um rechtliche Elternschaft ging. Das wird oft mit der geringen Anzahl der betroffenen Personen argumentiert, aber im Grundgesetz heißt es alle Menschen sind gleich und nicht, die meisten Menschen sind gleich. Mir war klar, dass ich mich kritischer und differenzierter mit der Thematik auseinandersetzen wollte und so kam die Idee zur Diplomarbeit.

Weshalb ist das Thema dieser Arbeit relevant?

Mark Heeseler: Im Leben eines jungen Menschen gibt es kaum ein Verhältnis, welches prägender ist, als das zu den eigenen Eltern. Dabei spielen natürlich vor allem gesellschaftliche Aspekte eine Rolle, aber auch auf der Rechtsebene ist dieses Eltern-Kind-Verhältnis besonders relevant.

Von diesem rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnis hängen viele weitere Rechtsverhältnisse ab, wie etwa das Unterhalts- oder das Erbrecht. Aber auch Aspekte des alltäglichen Lebens wie etwa die gesetzliche Krankenversicherung im Rahmen einer Familienversicherung hängen von der Frage der rechtlichen Elternschaft ab.

Es ist also für alle Kinder besonders relevant, dass deren biologische Eltern auch rechtlich in diese Stellung gelangen. Und das sollte meiner Auffassung nach auch entsprechend der geschlechtlichen Identität der Eltern passieren. Wenn also ein transgeschlechtlicher Mann noch in der Lage ist ein Kind auszutragen, dann sollte er nach seinem rechtlichen Geschlecht und der Elternrolle, die er in der gelebten Realität der Familie einnehmen wird in die Geburtsurkunde eingetragen werden, also als Vater. Die aktuelle Rechtslage sieht ausgehend von den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs allerdings die Eintragung als Mutter vor. In einigen Konstellationen könnte das sogar dazu führen, dass eine Elternstelle blockiert wird. Kinder in solchen Familien werden also potenziell vom Gesetzgeber diskriminiert und die Eltern ebenso. Das Elternrecht ist grundgesetzlich geschützt und das Familienrecht ist komplett auf die Wahrung des Kindeswohls ausgerichtet. Die in meiner Arbeit behandelte Thematik ist demnach aus rechtlicher Sicht extrem relevant, selbst, wenn die betroffene Personengruppe eher klein sein sollte.

In Ihrer Arbeit untersuchen Sie unter anderem den Reformbedarf des Abstammungsrechts. Zu welchem Schluss sind Sie gekommen?

Mark Heeseler: Von all den verschiedenen Rechtsgebieten ist das Familienrecht eines der "lebendigsten". Es ist einem ständigen Wandel unterworfen und wird immer wieder reformiert.

Die Aufgabe des Rechts ist dabei die gesellschaftliche Realität darzustellen und entsprechend zu regeln. Das Abstammungsrecht als Teil des Familienrechts ist dabei schon länger in die Kritik geraten, weil es dieser Aufgabe nicht im ausreichenden Maße gerecht wird. Wie bereits erwähnt, wurde in den letzten Jahren vor allem das Elternrecht bei gleichgeschlechtlichen Paaren diskutiert. Der Gesetzgeber hat nun angekündigt diesbezüglich die sogenannte Mit-Mutterschaft einführen zu wollen. Doch leider greifen die beabsichtigen Reformen zu kurz, behandeln sie doch nur vereinzelte Aspekte, die neu zu regeln wären.

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass es einen dritten positiven Geschlechtseintrag geben muss und damit der in der Geschlechterforschung schon lange bekannten Tatsache Rechnung getragen, dass der Begriff des Geschlechts viel mehrdimensionaler ist, als der historische Gesetzgeber meinte. Heute weiß man, dass neben den Aspekten des biologischen Geschlechts und vor allem der primären Geschlechtsorgane auch psychologische und chromosomale Aspekte Berücksichtigung finden müssen.

Vor diesem Hintergrund ist das Abstammungsrecht schon allein deshalb reformbedürftig, weil dort noch eine binäre Einteilung in Mann und Frau erfolgt, die einem Geschlechterverständnis folgt, welches von ausschließlich zwei Geschlechtern ausgeht.

Was bedeutet Ihnen der Gewinn des POLITEIA-Preises?

Mark Heeseler: Zunächst einmal bin ich sehr dankbar, dass meine Arbeit unter all den Einsendungen ausgewählt wurde und mit dem Politeia-Preis ausgezeichnet wurde. Es ist mir eine Ehre und freut mich persönlich sehr, dass ich gerade mit diesem so relevanten Thema eine Auszeichnung erhalten habe. Ich freue mich über die damit einhergehende Wertschätzung und fühle mich damit sehr bestätigt, dass es zu diesem Thema einer tiefergehenden Auseinandersetzung bedarf. Ich hoffe, dass ich aufbauend auf meiner Arbeit nun noch tiefer in diese Materie einsteigen kann. Der Gesetzgeber hat ja mittlerweile auch in diesem Bereich einige Reformen angekündigt, die aber leider keine Verbesserung darstellen. Vielleicht kann meine Arbeit an entsprechender Stelle zum Nachdenken anregen.

Medaille für Laura Pias Arbeit zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Arbeitsleben

Laura Pia bewarb sich mit ihrer Masterarbeit zum Thema „Die Gleichstellung von Frauen und Männern im Arbeitsleben: Eine Rechtsanalyse zur Förderung der Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern“. Ihre Untersuchung überzeugte die Gutachterinnen: Sie erhält die mit 400 € dotierte POLITEIA-Medaille.

Herzlichen Glückwunsch, Laura Pia! Wie sind Sie auf das Thema für Ihre Arbeit aufmerksam geworden?

Laura Pia: Mir lag das Thema der Förderung marginalisierter Bevölkerungsgruppen schon immer am Herzen. Die Gleichstellung der Geschlechter sehe ich als wichtigen Bestandteil eines gerechten und integrativen gesellschaftlichen Miteinanders an. Daher stand für mich schnell fest, dass ich meine Masterthesis in diesem Bereich verfassen möchte. Insbesondere als Frau erlebt man regelmäßig die Auswirkungen struktureller Ungleichheiten. Der Gender Pay Gap - also die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern - ist ein deutliches und greifbares Zeichen für die anhaltende Ungleichbehandlung von Frauen in der Arbeitswelt. Diese Diskrepanz verdeutlicht nicht nur die finanziellen Benachteiligungen, sondern auch die tief verwurzelten Vorurteile und diskriminierenden Strukturen, die in vielen Organisationen und Gesellschaften bestehen. Es war mir wichtig, einen aktiven Beitrag zur Aufklärung und Sensibilisierung in diesem Bereich zu leisten. Ich wollte die Mechanismen und Ursachen dieser Ungleichheit näher untersuchen und praktikable Lösungsansätze erarbeiten, die zu einer faireren Entlohnung und besseren Arbeitsbedingungen für Frauen führen können.

Weshalb ist das Thema dieser Arbeit relevant?

Laura Pia: Das Thema der Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern ist von gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Relevanz und zentral für die Schaffung einer gerechten Gesellschaft. Diese Problematik hat weitreichende Konsequenzen auf verschiedenen Ebenen unseres Zusammenlebens. Ungleiche Bezahlung verstößt gegen das Prinzip der Gleichheit und Fairness und führt zur systematischen Benachteiligung von Frauen. Diese Diskriminierung vermindert nicht nur die Kaufkraft von Frauen durch niedrigere Löhne, sondern erhöht auch das Risiko der Altersarmut durch geringere Rentenansprüche. Zudem verstärkt sie finanzielle Abhängigkeiten und schränkt die soziale und wirtschaftliche Autonomie von Frauen erheblich ein. Die Bekämpfung der Lohnungleichheit fördert die Emanzipation und Unabhängigkeit von Frauen und stärkt deren Position in der Gesellschaft insgesamt. Gleiche Bezahlung für gleiche oder gleichwertige Arbeit schafft gerechtere Arbeitsbedingungen und sendet ein starkes Signal für die Wertschätzung der Leistungen von Frauen. Die Gleichstellung der Geschlechter in der Arbeitswelt ist ein wichtiger Schritt zu einer gerechten und inklusiven Gesellschaft. Eine faire Entlohnung fördert die Motivation und Zufriedenheit der Beschäftigten, steigert die Produktivität und Innovationskraft der Wirtschaft und trägt zur Reduktion sozialer Ungleichheiten sowie Stärkung des sozialen Zusammenhalts bei.

In Ihrer Arbeit untersuchen Sie die Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern und widmen sich insbesondere dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG). Kann dieses die Lohnlücke schließen?

Laura Pia: Das Entgelttransparenzgesetz ist ein wichtiger Schritt in Richtung größerer Transparenz und verstärktem Bewusstsein für geschlechtsspezifische Lohnunterschiede. Es bietet einen Rahmen, um sich der Problematik der Entgeltungleichheit zu widmen, bedarf jedoch noch einiger Weiterentwicklungen und Überarbeitungen. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland leider noch immer weit hinten, da die europäischen Vorgaben bisher nicht hinreichend umgesetzt wurden. Das Gesetz allein reicht nicht zur vollständigen Schließung der Lohnlücke aus. Um die Lohnungleichheit signifikant zu reduzieren, sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich, die in der Gesamtschau betrachtet werden sollten. Dazu gehören unter anderem Regelungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie eine stärkere Förderung von Frauen in Führungspositionen. Außerdem ist die Erweiterung der beruflichen Vielfalt und des Einkommenspotentials von Frauen durch Programme wesentlich, die Frauen ermutigen traditionell männlich dominierte und besser bezahlte Berufe zu ergreifen. Weitere wichtige Faktoren sind das Aufbrechen gesellschaftlicher Geschlechterrollen und die Modernisierung des Ehegattensplittings. Schärfere gesetzliche Vorgaben und Sanktionen für Unternehmen, die gegen Prinzipien der Entgeltgleichheit verstoßen, sind notwendig. Insgesamt kann das Entgelttransparenzgesetz einen Beitrag zur Verringerung der Lohnlücke leisten, ist jedoch nur ein Teil einer umfassenderen Strategie zur Förderung der Geschlechtergleichstellung auf dem Arbeitsmarkt. Die Lohnungleichheit betrifft nicht nur Frauen, sondern hat weitreichende Konsequenzen für Wirtschaft, Arbeitskultur und gesellschaftlichen Fortschritt. Es ist daher essentiell, dass Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam Maßnahmen ergreifen, um diese Ungleichheiten zu beseitigen und eine gerechtere Arbeitswelt zu schaffen.

Was bedeutet Ihnen der Gewinn der POLITEIA-Medaille?

Laura Pia: Der Gewinn der POLITEIA-Medaille ist für mich eine große Würdigung meiner Arbeit und ein wichtiges Zeichen für die Sichtbarkeit der Problematik der strukturellen Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in der Arbeitswelt. Durch die POLITEIA-Medaille wird nicht nur die Sichtbarkeit und Anerkennung von wissenschaftlichen Beiträgen - die zu einem besseren Verständnis und einer gerechteren Gesellschaft beitragen- gefördert, ich sehe darin auch das Potential, an systemischen Veränderungen mitzuwirken. Die Aufmerksamkeit, die durch diese Auszeichnung auf das Thema gelenkt wird, stärkt die Erforschung und Förderung von Geschlechtergerechtigkeit. Sie honoriert die Bedeutung, gesellschaftlich relevante Fragen durch fundierte Forschung zu adressieren und voranzubringen. Es freut mich sehr, wenn ich einen Beitrag zur Förderung der Gleichstellung und sozialen Gerechtigkeit leisten kann.

Diese Würdigung motiviert mich, weiterhin engagiert an Lösungen zu arbeiten, die eine gerechtere und inklusivere Gesellschaft schaffen.

Besonderen Dank möchte ich an meine Gutachterinnen Dr. iur. Jana Hertwig und Prof. Dr. Dörte Busch richten, die mich bei der Erstellung der Masterthesis unterstützt und mich zur Einreichung meiner Arbeit für eine Nominierung für diesen Preis ermutigt haben.

Labour Market Barriers for the Trans & Nonbinary Community: Judith Waltl erhält Medaille

Mit ihrer Masterarbeit zum Thema „Labour Market Barriers for the Trans & Nonbinary Community“ konnte Judith Waltl die Jury überzeugen. Sie erhält die mit 400 € dotierte POLITEIA Medaille.

Wir gratulieren, Judith Waltl! Was hat Sie dazu bewogen, sich diesem Thema zu widmen?

Judith Waltl: Vielen Dank, ich freue mich wirklich sehr! Bei mir hat sich schon lange ein starkes Gefühl entwickelt, genauer hinzuschauen, wenn wir in den Wirtschaftswissenschaften über Geschlecht und Diskriminierung sprechen. Gender oder Geschlecht ist in der Ökonomie, vor allem aber auch in der quantitativen Forschung, meist nur eine dummy-Variable; eine binär gedachte Kategorie die nur das unveränderbare männlich und weibliche Geschlecht kennt. Mit dieser Binarität und Absolutheit verfehlt die ökonomische Forschung nicht nur unsere gelebte Realität, sie nimmt sich auch die Möglichkeit ihr Wissen über Strukturen, Mechanismen und Muster von Diskriminierung zu erweitern und Lösungsansätze voranzubringen.

Weshalb ist das Thema dieser Arbeit relevant?

Judith Waltl: Wie wir vor allem in den letzten Jahren verfolgen konnten – es wird Politik über und für trans- und nicht-binäre Menschen gemacht, aber auf welcher Grundlage? In der Ökonomie haben wir hier noch wenig Forschung betrieben und Wissen gesammelt. Genau da wollte ich ansetzen. Zu den ungleichen Herausforderungen für Frauen in der Arbeitswelt wird zum Glück schon lange und gut geforscht, aber auch hier gibt es noch so viel zu tun. Annehmen, dass es damit aber getan ist, wollte ich nicht. Die Ergebnisse zeigen ja auch: Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der Geschlechtsidentität hat unzählige Facetten. Trans- und nicht-binäre Menschen können uns zu vielen davon einen einzigartigen Einblick gewähren. Damit lernen wir nicht nur, wie Barrieren für trans- und nicht-binäre Menschen am Arbeitsmarkt abgebaut werden können, die Ergebnisse sind genauso relevant für cis-Frauen, People of Colour oder Menschen mit Behinderung. NonKonformität kann uns alle betreffen; sie besser zu verstehen, kann uns alle weiterbringen.

In Ihrer Arbeit untersuchen Sie Hindernisse, die Trans- und Nichtbinären Menschen den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren. Was sind die wesentlichen Ergebnisse Ihrer Untersuchung?

Judith Waltl: Es wurde deutlich, dass die Mechanismen, die die Diskriminierung von trans- und nichtbinären Menschen auf dem Arbeitsmarkt aufrechterhalten, zwei Ursachen haben. Erstens, das binäre und geschlechtskonforme institutionelle Umfeld, das mit dem Bildungssystem und dem Arbeitsmarkt interagiert, und zweitens, die allgemeine Akzeptanz von trans- und nicht-binären Geschlechtsidentitäten in der Gesellschaft. Nicht-binäre Personen, die am wenigsten dem binären Geschlechtsverständnis und den zugeschriebenen Geschlechterrollen nachkommen, sind daher besonders häufig Diskriminierung ausgesetzt.

Die Bildungs- und Karriereentwicklungen waren bei allen Interviewpartner:innen stark davon beeinflusst, wann und wie eine Transition, also der Prozess hin zur gewünschten Geschlechtsidentität, stattfinden konnte. Oft war es ein Entweder Bildung und Berufseinstieg oder eine Transition. Das bedeutet, dass seelisches Leid gegen berufliche Perspektiven und sozioökonomische Sicherheit abgewogen werden muss, sofern da überhaupt eine „Wahl“ besteht.

Bei einer späteren Transition bereits im Berufsleben spielen das direkte Arbeitsumfeld und institutionelle Rahmenbedingungen eine große Rolle; ohne Unterstützung und Akzeptanz bleibt es oft ein Versteckspiel und erschwert Entwicklungsmöglichkeiten. Gibt es ein positives und akzeptierendes Arbeitsklima, so hat das Auswirkungen auf Motivation und Erfolgserlebnisse.

Was bedeutet Ihnen der Gewinn der POLITEIA-Medaille?

Judith Waltl: Ich freue mich sehr, dass damit ein Thema Aufmerksamkeit bekommt, das in der Wirtschaftsforschung noch viel zu kurz kommt. Die Medaille möchte ich am liebsten meinen Interviewpartner:innen geben. Sie haben mir Einblicke in eine oft auch sehr intime Lebensrealität gewährt. Ihre Offenheit und Ehrlichkeit haben mich dabei sehr beeindruckt und berührt. Sie haben mir ein tieferes Verständnis für viel mehr vermittelt, als diese Arbeit enthalten kann. Sie alle verdienen eine Medaille.

Medaillenauszeichnung für Lisa Weber: Frauen in Führungspositionen der Polizei

Lisa Weber erhält für ihre Bachelorarbeit zum Thema „Frauen im Polizeiberuf mit besonderem Blick auf Führungspositionen“ die mit 400 € dotierte POLITEIA-Medaille.

Herzlichen Glückwunsch, Lisa Weber! Wie sind sie auf das Thema für Ihre Arbeit aufmerksam geworden?

Lisa Weber: Ich komme ursprünglich aus der freien Wirtschaft und fand in diesem Bereich das Thema schon sehr interessant, da auch hier Unterschiede zwischen Männern und Frauen zum Vorschein kommen. Auch haben mir Familie und Freunde immer mal wieder von etwaigen Situationen erzählt, mit denen sie konfrontiert waren.

In diesem Zusammenhang wollte ich das Thema somit auf die Behörde übertragen und speziell innerhalb der Polizei untersuchen. Ich habe mich gefragt, ob genau diese Themen auch innerhalb der Berliner Polizei existent sind und in welchem Umfang.

Weshalb ist das Thema dieser Arbeit relevant?

Lisa Weber: Ich empfinde das Thema als relevant, weil die aktuellen Ergebnisse von vielen Studien (auch meiner als aktuell jüngsten Studie für die Polizei) zeigen, dass geschlechtliche Unterschiede weiterhin existieren. Damit erhoffe ich mir, dass solche Themen genauer begutachtet und diskutiert werden.

In Ihrer Arbeit widmen Sie sich der Frage, inwiefern Frauen in der Polizeibehörde noch immer auf Vorurteile stoßen und inwieweit diese sie im polizeilichen Führungsaufstieg behindern. Welche Erkenntnisse konnten Sie zur Beantwortung der Frage gewinnen?

Lisa Weber: Die Polizeibehörde gilt nach wie vor als Männerdomäne mit Herausbildung einer Männlichkeitsstruktur. Entsprechend formieren sich dann bestimmte Rollenzuweisungen und Muster, woraus Vorurteile sowie Diskriminierung gegenüber Frauen entstehen können. Man sollte jedoch hervorheben, dass die Gesellschaft einem stetigen Wandel unterliegt, wodurch auch diese Rollen und Zuschreibungen sich verändern. Heutzutage stehen Frauen für Ihre Rechte ein und teilen ihre Ansichten auch viel über Social Media zum Beispiel. Auch heben sich die Stimmen von Männern, die sich gegen traditionelle Rollenverständnisse aussprechen, indem sie vermehrt in Teilzeit gehen und für Kinder sowie Familie Zeit einplanen.

Was bedeutet Ihnen der Gewinn der POLITEIA-Medaille?

Lisa Weber: Ich habe um ehrlich zu sein damit überhaupt nicht gerechnet und mich umso mehr gefreut, als ich die Nachricht erhalten habe. Ich bedanke mich bei allen, die mich in dieser Zeit sehr unterstützt haben und freue mich, eine solche Erfahrung machen zu können und hoffentlich einen Mehrwert auch für andere geleistet zu haben.

POLITEIA: Auszeichnung für herausragende Studienarbeiten der Frauen- und Geschlechterforschung seit 2001

Seit 2001 prämiert die HWR Berlin die besten studentischen Arbeiten zur Frauen- und Geschlechterforschung mit dem POLITEIA-Preis. Der Preis ist mit 1.000 Euro dotiert, zusätzlich werden bis zu drei POLITEIA-Medaillen mit je 400 Euro verliehen. Bewerbungen aus allen Studienfächern sind bis zum 30. November eines Jahres möglich. Es werden gleichermaßen hervorragende Hausarbeiten, Projektarbeiten oder Abschlussarbeiten ausgezeichnet.

Nähere Informationen zum POLITEIA-Preis erhalten Sie bei der zentralen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten.