MINT-Willkommenskultur für Mädchen und Frauen
Expertenanhörung zu MINT in der Bildung im Deutschen Bundestag
Obwohl MINT-Fächer immer wichtiger werden für zukünftiges Innovations- und Wachstumspotential und der Bedarf an Fachkräften stetig zunimmt, sind Frauen in den deutschen Innovationssystemen unterpräsentiert. Nach einer aktuellen Studie liegt der Anteil weiblicher Beschäftigter im IT-Bereich in Deutschland bei lediglich 17,8 Prozent und damit unter dem EU-Durchschnitt, kritisiert Prof. Dr. Heike Wiesner von der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin.
Die Professorin für Betriebliche Informations- und Kommunikationssysteme wurde mit sechs anderen Expert/innen in dieser Woche als Sachverständige im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages gehört. In dem Fachgespräch rund um die MINT-Bildung machten die Vertreter/innen von Stiftungen, Unternehmen und Hochschulen aus verschiedenen Bundesländern gegenüber den Abgeordnet/innen aller Fraktionen deutlich, dass sie die geplanten MINT-Bildungsoffensiven der Parteien begrüßen. Sie empfehlen jedoch, die Förderung passgenauer zu gestalten, frühzeitig im Kindesalter anzusetzen und mit der flächendeckenden Umsetzung zeitnah zu starten. Denn die drastische Beschleunigung der Digitalisierung in allen Bereichen des Lebens führe schon heute zu massiven Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und in der Zivilgesellschaft. Laut einer Prognose von Forscher/innen der Universität Oxford fällt in den nächsten 20 Jahren rund die Hälfte der bisherigen Arbeitsplätze weg, weil sie durch neue technologische Zuschnitte ersetzt werden. Mit dieser Entwicklung halte das deutsche Bildungssystem nicht ausreichend Schritt, warnen die Sachverständigen.
Prof. Dr. Heike Wiesner bemängelt, dass in Deutschland das T und das I in der MINT-Ausbildung, die für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technologie (MINT) steht, viel zu kurz komme, um nachwachsende Generationen auf diese neue Industrialisierungswelle vorzubereiten. Zu spät setze die Bildung in diesen Fächern an. Zwar wächst das Interesse am Informatikstudium, aber die Abbruchquote bei Männern und Frauen liegt in vielen MINT-Fächern bei ca. 50 Prozent, wobei es Fachhochschulen besser gelinge, Studierende zum Abschluss zu führen. Besser heiße aber noch lange nicht gut. Es gelte, dem Exit-Szenario noch stärker zu begegnen, zum Beispiel durch eine anwendungsbezogene Didaktik, zielgruppenorientierte Brückenkurse und Tutorien in Mathematik und Programmierung, um auf die unterschiedlichen Voraussetzungen der Lernenden reagieren zu können. Auch die Lehrenden müssten disziplinübergreifend genderspezifisch geschult werden, um Schülerinnen und Studentinnen in ihrer Vielfältigkeit auf den Berufsalltag vorzubereiten. „Die bestehende Fachkultur muss zu einer Willkommenskultur erweitert werden, um die interessierten Mädchen und Frauen auch nachhaltig für die MINT-Fächer zu begeistern und sie strukturell und inhaltlich zu binden“, sagt Wiesner. Dies sei eine Querschnittsaufgabe, die Schulen, Fachhochschulen und Universitäten gemeinsam bewältigen müssen. Es gebe bereits viele erfolgreiche Kooperationen und Projekte auf diesem Gebiet, so Wiesner, „doch diese reichen bei Weitem noch nicht aus und müssten verstärkt und verstetigt werden, insbesondere unter dem Aspekt „MINT & Diversity“.
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