Präsenz oder digital: Wie geht’s weiter nach Corona?
Vom 11. bis 13. Mai 2022 fand an der HWR Berlin nach zweijähriger Pause ein Glienicker Gespräch in Präsenz statt. Im Fokus: Die Hochschulen für den öffentlichen Dienst nach der Corona-Pandemie.
Hochschulvertreterinnen und -vertreter, Lehrende und Personen aus der Verwaltungspraxis berieten und diskutierten über die Zukunft von Lehre, Prüfung und Forschung an den Hochschulen für den öffentlichen Dienst nach der Corona-Pandemie.
Laut Befragungen keine Rückkehr zur Vollpräsenz gewünscht
Denn auch wenn die Hochschulen im laufenden Sommersemester 2022 weitgehend zu Präsenzlehrveranstaltungen zurückgekehrt sind, haben Befragungen von Studierenden und Lehrenden eindeutig gezeigt, dass es eine Rückkehr in die Vor-Corona-Zeit mit einer Vollpräsenz nicht geben kann und nicht geben soll.
Dazu bieten digitale Formate flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten in Lehre und Prüfungen, sind aber auch mit Risiken (zum Beispiel nur scheinbare Anwesenheit bei digitalen Lehrveranstaltungen, größere Täuschungsanfälligkeit bei digitalen Prüfungen etc.) verbunden, die gut gegeneinander abgewogen werden müssen, um auf dieser Basis an jeder Hochschule einen regulatorischen Rahmen für das neue Selbstverständnis der Hochschulen für den öffentlichen Dienst in den veränderten, digitaleren Zeiten zu errichten. Hierzu sollten die Glienicker Gespräche eine wertvolle Austauschplattform bieten.
Tag 1 – „Reset“ als digitale Hochschule?
Begrüßt wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch den Präsidenten der HWR Berlin, Prof. Dr. Andreas Zaby, der in seiner Rede insbesondere betonte, dass man zwar gewisse digitale Anteile in die Hochschullehre integrieren wolle, wo dies didaktisch sinnvoll sei und sofern dies für die Studierenden planbar bleibe; man wolle aber nicht „von Blick zu Click“.
Danach zeigte Prof. Dr. Joachim Beck, Professor für Verwaltungsmanagement und Rektor an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl, die strukturelle Benachteiligung der Forschung der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften gegenüber der universitären Forschung auf und plädierte für eine stärkere, institutionalisierte Vernetzung der Hochschulen für den öffentlichen Dienst im Bereich der Forschung.
Prof. Dr. Oliver Ruf, Inhaber einer Forschungsprofessur für die Ästhetik der Kommunikation an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, beschloss das offizielle Programm des ersten Tagungstages mit einem Blick auf die mit der pandemiebedingten stärkeren Digitalisierung eingetretenen Folgen (Änderung der Lehrstrukturen, E-Mail-Flut, enger getaktete Online-Besprechungen) und sprach sich dafür aus, die Hochschulen einmal grundsätzlich zu „resetten als digitale Hochschulen“. Das abschließende gemeinsame Abendbuffet bot Raum für lebendigen informellen Meinungsaustausch.
Tag 2 – Chancen und Herausforderungen der „neuen Normalität“
Am Donnerstag legte Prof. Dr. Olaf Neumann, Professor für methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit und Prorektor für Forschung, Kooperationen und Digitalisierung an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin, dar, dass die einzelnen Hochschulsysteme im Zuge der Corona-Pandemie „ausgerastet“ seien und nun in einer „neuen Normalität“ wieder einrasten müssten, wobei zu integrierende digitale Lehre (etwa für Blended-Konzepte) keine nur präsenzsimulierende digitale Lehre sein dürfe, sondern genauso der Anpassung bedürfe wie eine gesamte „neue, gesundheitsfördernde Arbeitswelt“ als auch die Lehrräume, die teilweise zu Lernräumen für die Studierenden umgestaltet werden müssten.
Prof. Dr. John Siegel, Professor für Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung an der HWR Berlin, knüpfte hieran an und zeigte auf, welche vielfältigen Herausforderungen mit der digitalen Transformation für die Hochschulen verbunden seien.
Daraufhin stellten Prof. Dr. Carolin Hagelskamp, Professorin für Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Forschungsmethoden und Prof. Dr. Christian Erdmann, Professor für Öffentliche Finanzwirtschaft, beide an der HWR Berlin, die Studienvariante Blended Learning des Studiengangs Öffentliche Verwaltung vor sowie erste Ergebnisse von Studierendenbefragungen in den Studiervarianten Öffentliche Verwaltung (Vollpräsenz), Öffentliche Verwaltung Blended Learning und des Studiengangs Öffentliche Verwaltung (dual).
Diplom-Psychologin Martina Mörth, Leiterin und Geschäftsführerin des Berliner Zentrums für Hochschullehre, rundete den Vortragsteil ab. Sie blickte auf die Chancen digitaler Lehre hinsichtlich des Lernerfolgs und gab wertvolle Tipps zur Gestaltung der Integration von digitalen Lehranteilen in die Lehrveranstaltungen. Das kulturelle Rahmenprogramm diente einer älteren Form der Vernetzung und führte in das Stasimuseum in der Normannenstraße.
Traditionell wurden in mehreren Workshops zur „Forschung für und mit dem öffentlichen Dienst“, zur „Digitalen Lehre“ und zu „Digital prüfen“ die „Glienicker Thesen“ zur Tagung erarbeitet und am abschließenden dritten Tag von den Gruppen im Plenum vorgestellt und diskutiert.