20 Jahre Geschlechterforschung an der HWR Berlin
Am 23. Juni 2022 feierte das Harriet Taylor Mill-Institut (HTMI) für Ökonomie und Geschlechterforschung der HWR Berlin sein 20-jähriges Jubiläum mit einem Sommerfest in Präsenz.
Das Sommerfest rundete die Festveranstaltung vom 7. April 2022 ab. Unter der Überschrift »Was geht in der Zukunft, Harriet?« sprachen aktuelle und ehemalige Mitglieder des HTMI sowie Wegbegleiter*innen über zukünftige Herausforderungen.
Mit dem HTMI verfügt die HWR Berlin seit 2001 über ein In-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung, das in seinem interdisziplinären Zuschnitt an einer deutschen Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) noch immer einzigartig ist: Wissenschaftler:innen aus dem Bereich der VWL, BWL, Soziologie, Informatik, Verwaltung und Recht sowie Psychologie arbeiten disziplinenübergreifend zu den Themenschwerpunkten »Ökonomie und Geschlecht« sowie zu »Geschlechterfragen in Recht und Verwaltung« und seit 2020 zu »Geschlecht und Digitalisierung«.
»Geschlechterforschung auf dem Prüfstand«
Das war das Thema der interdisziplinären Jubiläumsveranstaltung »20 Jahre HTMI – 20 Jahre Geschlechterforschung: Was geht?« am 7. April 2022. In ihrer einleitenden Festrede blickte die Direktorin des Instituts Prof Dr. Yollu-Tok zunächst zurück auf die Geschichte und auf die Namensgeberin Harriet Taylor-Mill. Die britische Ökonomin agierte in Zeiten der ersten Frauenbewegung und hatte einen maßgeblichen Anteil an den Schriften ihres Weggefährten John Stuart Mill. Sie gelten als Klassiker der Nationalökonomie und zählen zu Vorkämpfern der Frauenemanzipation.
Das Harriet Taylor Mill-Institut ist ein Kind der zweiten Welle der Frauenbewegung in Westdeutschland. Mit ihr ging in den 1970er Jahren die universitäre Institutionalisierung der Geschlechterforschung einher. Der Ausgangspunkt der Geschlechterforschung ist die Kritik an der traditionellen wissenschaftlichen Forschungslandschaft und ihrer Vernachlässigung der Geschlechterverhältnisse. Herrschende Geschlechterverhältnisse prägen eine Gesellschaft – wie gut können Forschungsergebnisse aber sein, wenn so etwas Offenkundiges ignoriert wird?
Institutsgründung
Ab Mitte der 1970er Jahre formierten sich feministische Forscher*innengruppen an den Hochschulen; 1983 richtet die Fachhochschule Fulda im Fach Soziale Arbeit die erste Professur für Geschlechterforschung ein, kurz darauf folgt die Freie Universität. Die Wissenschaftlerinnen waren rebellisch, unter ihnen auch die Studentin der Volkwirtschaftslehre Friederike Maier, spätere Professorin für Volkswirtschaftslehre, mit dem Schwerpunkt Verteilung und Sozialpolitik an der HWR Berlin – damals noch Fachhochschule für Wirtschaft. Darunter war auch Dorothea Schmidt, die vier Jahre nach Friederike Maier als Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an die HWR Berlin berufen wurde. 2001 gründeten die beiden Professorinnen mit Gleichgesinnten das Harriet Taylor Mill-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung. Aktuell gehören dem HTMI 31 Mitglieder plus 14 assoziierte Mitglieder an. Die Mitglieder des Instituts eint ihr gemeinsames kritisches Interesse an Fragestellungen der Geschlechterforschung. Sie forschen und lehren in ihren jeweiligen Fachdisziplinen.
Prof. Dr. Yollu-Tok betonte, dass die Institutsentwicklung ohne die Unterstützung der Hochschulleitung nicht möglich gewesen wäre. Sie dankte ausdrücklich dem damaligen Rektor Franz Herbert Rieger: »Er hat alle existierenden Steine für die Gründung solch eines einmaligen In-Instituts aus dem Weg geräumt«. Und auch heute wäre die Arbeit ohne den Rückhalt durch die Hochschulleitung sowie die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte Viola Philipp nicht leistbar.
Im Anschluss an die Festrede stellte Prof. Dr. Miriam Beblo (Universität Hamburg) eine neue Metastudie zu Frauen und Wettbewerb vor. Moderiert von Prof. i.R. Dr. Dorothea Schmidt, HWR Berlin diskutierten Prof. Dr. Miriam Beblo, Prof. Dr. Ute Klammer (Institut für Soziologie, Uni Duisburg-Essen) und Dr. Nicola Brandt (Leiterin des OECD Berlin Centre) über die Entwicklung und die veränderten aktuellen Herausforderungen der Geschlechterforschung.
Podcast:
Let‘s Talk About ist der Podcast des HTMI. Er erscheint regelmäßig in loser Folge zu feministischen Themen in Wirtschaft, Recht und Gesellschaft.