Neuigkeit | Interview

Nachhaltige Ideen für den Tempelhofer Damm

Julia Leßmeister und Isabel Keil vom Masterstudiengang Nachhaltigkeits- und Qualitätsmanagement der HWR Berlin haben untersucht, wie sich der Tempelhofer Damm nachhaltig attraktiver gestalten lässt.

09.11.2020

Zwei Frauen: eine an einem kleinen Tisch sitzend, eine stehend. Dazwischen ein Aufsteller.
Foto: privat

Die Tagesspiegel-Redakteurin Sigrid Kneist hat mit Julia Leßmeister und Isabel Keil über das Projekt und ihre Erkenntnisse gesprochen. Das Interview erschien im Leute-Newsletter für Tempelhof Schöneberg:

Der Tempelhofer Damm ist eine viel befahrene Durchgangsstraße mit vergleichsweise wenig Aufenthaltsqualität. Sie haben sich damit beschäftig, ihn attraktiver zu gestalten. Was haben Sie untersucht?

Im Rahmen unseres Masterstudiums möchten wir untersuchen, welche Möglichkeiten zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität auf dieser Hauptverkehrsstraße entwickelt werden können, beispielsweise durch Begrünung, Verschattung, Stadtmöbel und vieles mehr. Mit der Unterstützung der Unternehmer-Initiative Tempelhofer Damm haben wir Vorschläge, Lösungen und Ideen gesammelt, die das Leben im Kiez besser und bunter machen könnten. Wie kann das Straßenbild attraktiver werden? Was fehlt am Tempelhofer Damm, um die Aufenthaltsqualität für die Anwohner*innen angenehmer zu gestalten? Welche Nutzungen stören oder fehlen gar?

Um welchen Straßenabschnitt geht es?

Der Tempelhofer Damm zwischen Ordensmeister- und Ringbahnstraße ist heute eine Einkaufsstraße für die Nahversorgung der Einwohner*innen Tempelhofs. Mit dem Franckepark, dem Rathaus, der Bezirksbibliothek und dem Stadtbad bestehen hier auch zentrale Treffpunkte des sozialen Lebens im Kiez. Die historische Stadtstruktur rund um den ursprünglichen Ortskern, den Dorfanger Alt-Tempelhof und der über 800-jährigen Dorfkirche zwischen dem Alten und dem Lehnepark ist heute noch gut erhalten und erinnert an die wirtschaftlich starke Dorfgemeinde, die 1920 mit dem Großberlin-Gesetz Teil von Berlin wurde.

Wie sind Sie vorgegangen?

Wir haben festgelegt, welches die Nachhaltigkeitsziele unseres Projekts sind und diese gemäß den drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung begründet: Ökologie, Ökonomie sowie Soziales und Kultur. Eine erste Bestandsanalyse ergab, dass der Te-Damm wenig Aufenthaltsqualität besitzt, vor allem wegen dem Durchgangsverkehr. Ungünstige Veränderungen der Handelsstrukturen machen sich auch bemerkbar: Hohe Leerstandsquote beziehungsweise Rotation, viele Handels- und Dienstleisterketten, wenige Einzel- und Spezialgeschäfte deuten auf sinkende Kaufkraft hin. Mit dem Alten und dem Franckepark liegt bereits viel Potenzial für einen attraktiven grünen Erholungsraum vor, und auch die besondere Gestaltung der Ecken zu den Seitenstraßen bieten viel Fläche für die Umsetzung von Ideen zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität.

Welche Erfahrungen haben Sie bei Ihren Recherchen gemacht?

Wir haben viel konstruktiven Input erhalten. Zahlreiche unserer Vorschläge sind allerdings genehmigungsbedürftig. Dies schränkt die Machbarkeit aus Fristgründen erheblich ein. Zudem haben der Corona-Shutdown und die drohende Karstadt-Schließung unseren Zeitplan um rund eineinhalb Monate verschoben. Der Te-Damm hat viele Probleme struktureller Art – wie bereits geschildert -, die eine Umsetzung unserer Vorschläge erheblich erschweren. Es bedarf eines umfassenden, langfristig angelegten Entwicklungsplans, den wir im Rahmen dieses Projekts nicht leisten können, zum Beispiel Leerstandsmanagement, Zwischennutzungen, Nutzungseinschränkungen, Liefermanagement usw.

Wie haben die Händler auf Ihr Projekt reagiert?

Die Händler, die wir befragt haben, waren insgesamt ziemlich distanziert und abweisend. Das war mitunter auch auf die Corona-Situation und die damals drohende Schließung von Karstadt zurückzuführen. Darüber hinaus haben sich viele beschwert, dass sie mit dem vom Bezirk geplanten Fahrradweg auf dem Te-Damm nicht einverstanden sind, obwohl dieser mit unserem Projekt nicht wirklich etwas zu tun hat. Einige haben uns direkt wieder abgewiesen und wollten nichts von unserem Projekt wissen. Es gab jedoch auch andere Stimmen, beispielsweise den Inhaber eines Bioladens, der sehr interessiert an dem Projekt war und mit dem wir uns bereits über einige der Maßnahmen austauschen konnten.

Sie haben auch Anwohner befragt. Welche Wünsche haben diese geäußert?

Wir erhielten sehr gutes Feedback gegenüber unserem Projekt – viele der Befragten bedankten sich für unser Engagement, den Te-Damm attraktiver und nachhaltiger zu gestalten. Mehr als 50 Prozent der Befragten wünschten sich einen Fahrradweg bzw. verkehrsberuhigende Maßnahmen – dieselben Personen wünschten sich ebenfalls mehr Fahrradständer (die geplanten Maßnahmen waren weitestgehend bekannt, aber durch die Verschiebung zweifeln einige an einer zeitnahen Umsetzung). Einige der Befragten äußerten ihre Bedenken zur geplanten Umgestaltung durch das Projekt Neue Mitte Tempelhof; sie befürchten, dass Grünflächen und Schrebergärten vernichtet werden. Rund ein Drittel der Befragten beklagten sich über die vielen Frisöre, Nagelstudios und Dönerbuden und wünschten sich mehr lokale Geschäfte und Cafés zum Verweilen. Etwa 90 Prozent der Befragten befürworteten einen Wochenmarkt. Viele der Befragten wünschten sich mehr Begrünung, sahen hier jedoch ebenfalls die hohen Risiken der Verschmutzung, Vandalismus, etc. Rund ein Drittel der Befragten äußerte sich kritisch gegenüber der Bezirksverwaltung und bezweifelte den Erfolg bei der Umsetzung von initiierten Maßnahmen. Fast alle Befragten im Alter über 60 Jahren wünschten sich mehr Sitzgelegenheiten, einige gaben jedoch zu bedenken, dass diese dann durch Obdachlose „belagert“ werden könnten.

Welche Maßnahmen für den Tempelhofer Damm halten Sie für wichtig und realisierbar?

Wir haben folgende Maßnahmen herausgestellt, die wir weiterverfolgen wollen:

  • Wochenmarkt auf dem Rathausvorplatz: Dieser wurde von den Befragten und auch von uns eindeutig favorisiert – darüber hinaus ist auch im Siegerprojekt der Abschlusswerkstatt für die Neue Mitte Tempelhof ein Markt auf der neuen Fläche am Rathaus vorgesehen
  • Fahrradständer/Bühne im Park: Die Fahrradständer und auch Events wurden von den Bürgern gewünscht – diese wollen wir in Gesprächen mit den Projektleitern Neue Mitte Tempelhof weiter vorantreiben, da diese mehr Möglichkeiten zur Umsetzung solchen bauintensiven Maßnahmen haben.
  • Baumscheiben/Hochbeete: Die Begrünung und Verschönerung wurde von den Bürgern gewünscht. Insbesondere bei den Hochbeeten wird allerdings die Gefahr der Vermüllung gesehen.
  • Kehrenbürger: Optimalerweise sollte im Frühling (Ende März) gemeinsam mit der Unternehmerinitiative die Kehrenbürger-Aktion stattfinden und zeitgleich einen Projektabschluss bilden, eventuelle auch zusammen mit einem gemeinsam Grillen etc.
  • Lange Nacht der Stadtnatur, Fête de la Musique: Teilnahem an stadtweiten Veranstaltungen mit sozial-ökologischem Charakter.

Was kommt nicht in Frage?

Die folgenden Maßnahmen haben wir aufgrund des Feedbacks von der Unternehmer-Initiative und der Bürger bereits gestrichen bzw. sind eher kritisch zu bewerten:

  • Initiativen wie Bedruckte Beutel oder Lageplan der Geschäfte: wurden bisher seitens der Händler abgelehnt
  • Sitzgelegenheiten: Einzelsitze bevorzugt, Vermeidung von “Schlafplätzen”, vandalismusresistent
  • Fahrradständer, Sitzgelegenheiten und Stadtmobiliar insgesamt sind genehmigungsbedürftig und schwierig umzusetzen

Wenn Sie Anregungen für das Projekt haben oder sich für die Patenschaft für eine Baumscheibe interessieren, dann können Sie eine E-Mail an projekt.tedamm(at)gmail.com schreiben.


Quelle: Tagesspiegel.de