Ein aufgeladenes Thema auf den Boden der Tatsachen geholt
Bei einem FÖPS-Werkstattgespräch präsentierte Prof. Dr. Karoline Ellrich (Villingen-Schwenningen) den Stand der empirischen Befunde darüber, welche Faktoren Gewalttaten gegen Polizisten beeinflussen.
Über die Gewalt gegen Polizist*innen wird in letzter Zeit vermehrt gesprochen: ob sie zunimmt oder nicht (die Polizeiliche Kriminalstatistik scheint nahe zu legen: ja), woran das liegen könnte (zunehmende Gewaltbereitschaft gegenüber Polizist*innen oder gestiegene Sensibilität für Übergriffe) und wie dem am besten zu begegnen sei (mit weiteren Verschärfungen des Strafrechts oder Imagekampagnen für die Polizei). Angesichts der zum Teil sehr emotional geführten und von verschiedenen Seiten befeuerten Debatten ist ein nüchterner Blick auf die Fakten umso hilfreicher.
Diese Perspektive bot ein Vortrag von Prof. Dr. Karoline Ellrich von der Hochschule der Polizei in Baden-Württemberg am 6. November 2019. Im Rahmen der FÖPS-Werkstattgespräche referierte sie über „Gewalt gegen polizeiliche Einsatzkräfte“. Frau Ellrich bewies mit ihrem Vortrag ihre eindrucksvolle Stellung in der Forschungslandschaft. Sie selbst beschäftigt sich mit dem Thema seit über 10 Jahren und hat mittlerweile an mehreren Forschungsprojekten zur Gewalt gegen Polizeibeamte teilgenommen. In ihrem über einstündigen Vortrag trug sie zahlreiche Befunde zum Ausmaß der Gewalt vor, ordnete die PKS-Zahlen und deren Aussagekraft ein und stellte verschiedene Forschungsansätze und deren Gewaltbegriffe vor (die zu entsprechend verschiedenen Ergebnissen führen). Die Fülle des empirischen Materials bot selbst für Kenner*innen des Themas neue Einblicke – auch wenn die Referentin am Ende die Frage nach den Gründen für die zunehmenden Fallzahlen in der Statistik (dem Hellfeld) nicht auflösen konnte. Welchen Gewinn eine solche „Erklärung“ letztlich brächte, sei dahingestellt.
Dass Forschung, die keine „Erklärungen“ anbietet, dennoch sehr nützlich sein kann, bewies Ellrich eindrucksvoll. Über die Frage, wie sich das Risiko gewaltsamer Übergriffe auf Polizist*innen verringern lässt, wird bei der Polizei wie in der Politik viel nachgedacht und diskutiert. Häufig werden dazu technische Lösungen (etwa: Bodycams, neue Distanzmittel) ins Spiel gebracht, deren deeskalierende Wirkung zumindest zweifelhaft bleibt. Karoline Ellrichs Überblick über den Stand der Forschungen zum Thema bot dafür ganz konkrete Lösungsansätze: Anhand der bisherigen Untersuchungen lassen sich nämlich mehrere konkrete Faktoren benennen, die auf Seiten der Bürger*innen wie der Polizisten die Wahrscheinlichkeit einer gewaltsamen Eskalation erhöhen (resp. in ihrer Umkehrung bzw. Vermeidung dieses Risiko senken) können. Dazu gehören bei den Polizist*innen u.a. gemischtgeschlechtliche Teams, das äußere Erscheinungsbild, das kommunikative Auftreten und die bürgerorientierte Einstellung sowie – nicht zu vergessen – die Einsatzvorbereitung und die emotionale Belastung der Beamt*innen. Wer das Problem der (zunehmenden) Gewalt gegen Polizist*innen wirksam eindämmen will, braucht also nicht auf weitere Erklärungen zu warten, sondern kann anknüpfend an diese Befunde ganz konkrete Maßnahmen einleiten, mit denen sich das Problem der Gewalt gegen Polizist*innen eingrenzen ließe.
Die Folien des Vortrags von Prof. Ellrich können bei der FÖPS-Geschäftsführung (foeps-office(at)hwr-berlin.de) abgerufen werden.