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Gedenken: HWR Berlin erinnert an Kriegsgefangene

Am 7. November 2019 enthüllte die HWR Berlin im Haus B am Campus Schöneberg eine Gedenktafel. Sie erinnert an den Tod von Millionen von Kriegsgefangenen während der NS-Zeit.

08.11.2019

Staatssekretär Steffen Krach, Bezirksbürgermeistern Angelika Schöttler und Hochschulpräsident Prof. Dr. Andreas Zaby bei der Enthüllung der Gedenktafel an der HWR Berlin
Staatssekretär Steffen Krach, Bezirksbürgermeistern Angelika Schöttler und Hochschulpräsident Prof. Dr. Andreas Zaby bei der Enthüllung der Gedenktafel an der HWR Berlin.

Im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg gibt es viele Orte, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Nun ist ein weiterer Lern- und Gedenkort dazugekommen: Am 7. November 2019 enthüllte die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) in Haus B am Campus Schöneberg eine Gedenktafel. Die Tafel in der Badenschen Straße 50-51 erinnert in drei Sprachen an die Verbrechen der Abteilung Kriegsgefangenenwesen des Oberkommandos der Wehrmacht und an die Ermordung von Millionen von Kriegsgefangenen.

Welche Entscheidungen wurden hier getroffen?

Rund 80 Geschichtsinteressierte nahmen an der Gedenkfeier teil, darunter Politikerinnen und Politiker des Berliner Abgeordnetenhauses, der Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung, Steffen Krach, die Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler, das Hochschulpräsidium sowie Olga Titkova als Vertreterin der Botschaft der Russischen Föderation. Sie leitet das Büro für Kriegsgräberfürsorge und Gedenkarbeit.

Von 1940 bis 1944 hatte die Abteilung Kriegsgefangenenwesen des Oberkommandos der Wehrmacht ihren Sitz In der Badenschen Straße 50-51. „Auch wenn es zwischen unserer Hochschule und den Einrichtungen des NS-Staates, für die dieses Gebäude und das von uns genutzte Nachbargebäude, Badensche Straße 52, gebaut wurden, keine institutionelle Verbindung gibt, liegt doch nichts näher, als sich damit zu befassen, was in diesen Räumen während der Nazi-Zeit geschah“, sagte Hochschulpräsident Prof. Dr. Andreas Zaby zu Beginn der Gedenkveranstaltung.

Welche Entscheidungen wurden hier getroffen? Welche Befehle erteilt? „Die Abteilung Kriegsgefangenenwesen war mitverantwortlich für Kriegsverbrechen ungeahnten Ausmaßes“, betonte Zaby. Von schätzungsweise 5,7 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen starben mehr als die Hälfte in deutscher Gefangenschaft. Sie verhungerten, wurden misshandelt, ermordet oder starben durch Zwangsarbeit und Seuchen.

Die junge Generation gegen Nationalismus immunisieren

„Was können wir aus alledem lernen?“, fragte Zaby. Der HWR Berlin gehe es darum, ein Bewusstsein zu schaffen für die ständige Gefährdung unserer freiheitlich-demokratischen Werte. Durch Forschung und Lehre wolle die Hochschule einen Beitrag leisten, „um gerade die junge Generation, die angehenden Fach- und Führungskräfte, die hier studieren, gleichsam zu immunisieren gegen den immer schon vorhandenen latenten und offenbar auch wieder aufbrechenden Nationalismus“, erklärte der Hochschulpräsident.
 

Etwa 8 Millionen Kriegsgefangene waren der Willkür der Nazis hilflos ausgeliefert.«

Steffen Krach, Berliner Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung

„Die Abteilung Kriegsgefangenenwesen steuerte die Versorgung von etwa 8 Millionen Kriegsgefangenen“, verdeutlichte Staatssekretär Steffen Krach. In seiner Rede ging er auf die Bedeutung des kollektiven Erinnerns ein. Wissenschaftliche Zusammenarbeit könne zum Beispiel dazu beitragen, Brücken zwischen Nationen zu schlagen. Wir alle seien dazu aufgefordert, uns nationalistischen Tendenzen entgegenzustellen. Die Gedenktafel sei ein „Ort des Innehaltens, der Erinnerung, der Mahnung, nicht zuzulassen, dass so etwas jemals wieder passiert“.

Orte des Erinnerns in Tempelhof-Schöneberg

Projekte wie die „Orte des Erinnerns“ an den Straßenlaternen im Bayerischen Viertel oder die Stolpersteine auf den Gehwegen, die an die Ermordung jüdischer Berlinerinnen und Berliner während der NS-Zeit erinnern, seien wichtig, um das kollektive Schweigen zu durchbrechen, sagte Angelika Schöttler, Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg. Nicht nur für junge Menschen müsse Geschichte erfahrbar gemacht werden. Sie forderte die Anwesenden auf, weiter zu forschen, um neue Gedenk- und Lernorte zu schaffen.
 

Geschichte muss erzählt werden, damit sie nicht vergessen wird.«

Angelika Schöttler, Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg

Geschichte der Kriegsgefangenen erforschen

Der Historiker Dr. Stefan Petke warf in seinem Vortrag einen Blick auf die gesamte Geschichte des heutigen Hochschulgebäudes in der Badenschen Straße 50-51. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Ruine wiederaufgebaut und ab 1952 von unterschiedlichen Bildungseinrichtungen genutzt. Darunter waren die Deutsche Hochschule für Politik, die Wirtschaftsakademie, das Berlin-Kolleg und die HWR Berlin. Kriegsgefangene seien die zweitgrößte Gruppe von Opfern des NS-Regimes gewesen. Über ihr Schicksal sei immer noch viel zu wenig bekannt, betonte Petke.

Historische Schichten freilegen

Die Designerin Helga Lieser enthüllte das von ihr gestaltete Triptychon gemeinsam mit Hochschulpräsident Prof. Dr. Andreas Zaby. Die dreiteilige Gedenktafel füge dem Gesamtmosaik einen neuen Puzzlestein hinzu. Bei der Gestaltung eines Gedenkorts gehe es ihr vor allem darum, verborgene Schichten der Geschichte ans Tageslicht zu fördern und zu erzählen.
 

Meine Gedenktafeln wachsen aus dem Boden und legen eine historische Schicht frei.«

Helga Lieser, Designerin der Gedenktafel in Haus B