Frauen im Aufbruch
Eine Plakatausstellung zu 100 Jahren Frauenwahlrecht am Campus Lichtenberg der HWR Berlin gewährt einen aufschlussreichen Blick auf die Rolle der Frauen im Wandel der Zeit.
Allgemeine Wahlaufrufe und Werbeplakate verschiedener Parteien und Vereinigungen zeichnen eindrucksvoll die Stationen des gesellschaftlich vorherrschenden Frauenbildes seit Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland nach. Die Wahlen zur Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919 stellten nicht nur den Auftakt zur ersten deutschen Demokratie dar, sondern waren Premiere für das neu geschaffene Frauenwahlrecht.
Die Plakate, die vom Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Verfügung gestellt werden, zeigen die politische Mobilisierung rund um die Wahlbeteiligung von Frauen in Deutschland anhand der drei wichtigen demokratischen Umbrüche des 20. Jahrhunderts.
Die Jahre zwischen 1945 und 1949 stellen die nächste Zäsur dar. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus war die deutsche Nachkriegsgesellschaft stark weiblich geprägt. Frauen bildeten die Mehrzahl der Bevölkerung, waren bereits während des Zweiten Weltkriegs in zuvor von Männern dominierten Arbeitsbereichen stark vertreten. Auf den Plakaten fällt eine besonders moralische Ansprache der Frauen auf. Einerseits werden sie politisch als besonders verantwortliche Trägerinnen einer friedvollen Zukunft in Szene gesetzt und zugleich an ihre gesellschaftliche Rolle in der Familie, als Frau an der Seite eines Mannes erinnert.
Fotos: Gregor Fischer
Die deutsch-deutsche Vereinigung 1989 bis 1990 ist auch für die Stellung der Frau in der Gesellschaft geprägt von Umbruch und Verstetigung. Unterschiedliche gesellschaftliche und politisch-ideologische Kulturen hatten sich in Ost und West entwickelt und trafen jetzt aufeinander. In der Bundesrepublik hatte die Frauenbewegung ihre Forderung nach Umsetzung von Gleichberechtigung gesellschaftspolitisch durchgesetzt. Der Grundtenor von Emanzipation und Gleichberechtigung blieb jedoch von der grundsätzlichen Auseinandersetzung über das gesellschaftliche Selbstverständnis von Frauen und Männern gezeichnet. In der DDR war das Selbstbild der Gesellschaft ideologisch anders geprägt, Emanzipation und Gleichberechtigung mussten beziehungsweise durften nicht öffentlich gefordert werden. Diese Vielfalt der Positionen spiegelt sich in der Gestaltung der Plakate.
Die öffentliche Ausstellung wurde vom Harriet Taylor Mill-Institut (HTMI) für Ökonomie und Geschlechterforschung und der Zentralen Frauenbeauftragten der HWR Berlin organisiert. Das HTMI ist das einzige Forschungsinstitut an einer Hochschule in Deutschland, an dem Wissenschaftler/innen aus VWL, BWL, Soziologie, Informatik und Recht disziplinübergreifend zu Ökonomie, Recht und Verwaltung interdisziplinär zusammenarbeiten.
Die Ausstellung ist bis zum 13. Dezember 2018 im Foyer des Hauses 1 am Campus Lichtenberg zu sehen. Begleitend lädt die Hochschule am 13. Dezember 2018 zur öffentlichen Vorführung des Spielfilms „Die göttliche Ordnung“ ein. Darin geht es um die Geschichte einer jungen Frau in einem beschaulichen Ort in der Schweiz, die sich Anfang der 1970-iger Jahre für das Frauenwahlrecht einsetzt und damit die Dorf- und Familienordnung gehörig ins Wanken bringt. Um 16.15 Uhr wird der Film am Campus Lichtenberg in Haus 6a, Raum 008 gezeigt.