Neuigkeit | Buchvorstellung

Badensche Straße 52: Wer arbeitete hier früher?

Die HWR Berlin erforscht die bewegte Vergangenheit ihrer Gebäude. Zum Auftakt der historischen Reihe stellte die Autorin Dorothea Schmidt ihr Buch »Die Kraft der deutschen Erde« vor.

10.10.2019

HWR Berlin: Buchvorstellung Prof. Dr. Dorothea Schmidt
Großer Sitzungssaal der HWR Berlin: Buchvorstellung "Die Kraft der Erde" von Prof. Dr. Dorothea Schmidt am 7. Oktober 2019

Das Gebäude in der Badenschen Straße 52 in Berlin-Schöneberg wurde 1939 als Zentrale der Hauptvereinigung der deutschen Brauwirtschaft (HVdB) errichtet. „Eine Besonderheit, da zu dieser Zeit nur sehr wenig gebaut wurde“, erklärte Prof. Dr. Dorothea Schmidt. Am 7. Oktober 2019 stellte die Expertin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte im großen Sitzungssaal der HWR Berlin ihr jüngstes Buch zur Geschichte der Hochschulstandorte vor. Der Titel: „‚Die Kraft der deutschen Erde‘ – Das Bier im Nationalsozialismus und die Hauptvereinigung der deutschen Brauwirtschaft“.

HWR Berlin arbeitet Geschichte ihrer Häuser systematisch auf

Zur Buchvorstellung kamen mehr als 50 Geschichtsinteressierte. Angeregt wurde die wissenschaftliche Aufarbeitung durch Prof. Dr. Andreas Zaby, den Präsidenten und Leiter der HWR Berlin. Seit 2011 gehört das sogenannte Haus A in der Badenschen Straße 52 zur Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Heute finden hier Seminare statt. Auch die Hochschulleitung, die Bibliothek und Teile der Verwaltung sind hier untergebracht.

„Wer arbeitete in der Zeit des Nationalsozialismus an diesem Ort? Welche Befehle wurden in diesen Räumen erteilt, welche Bescheide erstellt?“, fragte Prof. Dr. Zaby in seiner Eröffnungsrede. Bisher hatte die Hochschule darauf keine Antworten, so Zaby. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte sei jedoch Voraussetzung, um gesellschaftlichen Wandel zu verstehen und zu gestalten. Darum beauftragte die HWR Berlin Prof. Dr. Dorothea Schmidt mit dem vorgestellten Buchprojekt.

Dem Rechtsextremismus entgegentreten

„Ziel ist es, dem Rechtsextremismus durch Forschung und Lehre entgegenzutreten“, erklärte der Hochschulpräsident. Prof. Dr. Dorothea Schmidt kennt die Quellenlage. Sie selbst lehrte von 1996 bis 2011 am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der HWR Berlin. Anhand von Fotos und Zeitdokumenten ließ die Autorin die Geschichte des heutigen Hochschulstandorts Revue passieren. Bis 1944 residierte die Hauptvereinigung der deutschen Brauwirtschaft, eine Unterorganisation des Reichsnährstands, in der Badenschen Straße Ecke Meraner Straße. Der gleichgeschaltete Verband war Teil des NS-Regimes und kontrollierte die Rohstoffe, den Markt und die Qualität der deutschen Biere.

Nach dem Krieg zog die KPD Schöneberg ein

Anfang der 1930er Jahre war Deutschland mit 4.500 Brauereien und 4.000 Hausbrauereien der größte Biererzeuger Europas. Das Braugewerbe war wirtschaftlich bedeutsam, so Schmidt. Die Hauptvereinigung blieb jedoch politisch relativ einflusslos, weil sie mit anderen Organisationen konkurrierte – etwa mit der Wirtschaftsgruppe Brauerei, in der die Brauer das Sagen hatten. 

Was die Forscherin überraschte: Nach Kriegsende übergab der sowjetische Stadtkommandant von Berlin das heutige Haus A an die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) im Bezirk Schöneberg − obwohl es im amerikanischen Sektor lag. In den 1960er Jahren zog dann das Schöneberger Sozialamt ein. Die Buchvorstellung fand im früheren Kassenraum statt, berichtete die Autorin.

Berlin auf dem Weg zur Bierhauptstadt

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bunds, Holger Eichele, umriss zum Abschluss gemeinsam mit dem Bierspezialisten Markus Raupach die historische Bedeutung des Brauereiwesens für die Berliner Wirtschaft. Dank Craft Beer sei Berlin heute wieder auf dem Weg zur Bierhauptstadt, so Raupach. Die Vielfalt wächst: 6.500 Biermarken gebe es heute allein in Deutschland.

HWR Berlin setzt historische Reihe fort

Die historische Reihe geht weiter: Ein Buch zur Geschichte der Hochschulgebäude am Campus Lichtenberg ist derzeit in Arbeit. Am 7. November 2019 enthüllt die HWR Berlin in Haus B eine Gedenktafel zur NS-Geschichte des Gebäudes, in dem bis 1944 die Abteilung Kriegsgefangenenwesen des Oberkommandos der Wehrmacht ihren Sitz hatte.


Das Buch:

Dorothea Schmidt
„Die Kraft der deutschen Erde“ – Das Bier im Nationalsozialismus und die Hauptvereinigung der deutschen Brauwirtschaft in Berlin Schöneberg
Nomos-Verlag, Baden-Baden
Reihe: HWR Berlin Forschung, Bd. 65
Edition Sigma 2019, 85 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-8487-5920-0