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Kreative Lösungsansätze für die Verwaltung

Die HWR Berlin bildet rund 40 Prozent der Berliner Verwaltungsangestellten aus. Beim Creative Bureaucracy Festival ist sie ein wichtiger Partner, wie Dekan Prof. Dr. Robert Knappe erläutert.

16.09.2019

Foto: Oana Popa

Herr Prof. Knappe, Sie sind seit drei Jahren Dekan des Fachbereichs Allgemeine Verwaltung. Wie können wir uns Ihren Arbeitsalltag vorstellen?

Das Wahlamt der/des Dekan/in ist eine sehr vielseitige Tätigkeit. Der/die Dekan/in sollte eine Vorstellung haben, wie sich der Fachbereich mittel- und langfristig weiterentwickeln sollte, vor allem in den Bereichen Studienangebote, Rahmenbedingungen von Lehre und Forschung, Praxiskontakte, internationale Netzwerke, Personal- und Organisationsentwicklung des Fachbereichs. Dies bringt man in die Gremien wie bspw. den Fachbereichsrat, in Besprechungen mit allen Lehrkräften, der Hochschulleitung, der Fachbereichsverwaltung und natürlich auch mit den Studierenden ein. Es ist wichtig, gemeinsam im Dialog einen Konsens zu finden, denn der/die Dekan/in hat fast keine formalen Entscheidungskompetenzen. Ein großer Teil der Arbeitszeit wird daher für Gespräche und Sitzungen, Korrespondenzen per Email und Telefon sowie Gremienarbeit aufgebracht. Als Dekan/in ist man auch das Gesicht des Fachbereichs nach außen. Für eine Fachhochschule sind die Kontakte mit dem späteren Berufsfeld der Absolventen/innen sehr wichtig, in unserem Fall also Verwaltungen und Behörden, von denen es in Berlin ja viele gibt. Dekan/in ist eigentlich nur ein Teilzeitamt, denn die gewöhnlichen Aufgaben eines Hochschulprofessors, vor allem Lehrverpflichtung und Forschung, bleiben zu 50% bestehen. Es gibt aber immer wieder Arbeitswochen, in denen das Dekanamt allein schon faktisch den Umfang einer Vollzeittätigkeit beansprucht.

Die Verwaltung im Allgemeinen und die Berliner Landesverwaltung im Speziellen werden häufig ambivalent gesehen. Mal als schwerfällig und rückwärtsgewandt, mal als im Aufbruch befindlich und zunehmend innovativ. Wie beurteilen Sie die Gesamtlage?

Ich erlebe bei meinen vielfältigen Kontakten zur Verwaltung von allem etwas, was Sie gerade beschrieben haben. Die Gesamtlage ist heterogen. Als Betriebswirt wünschte ich mir manchmal etwas mehr Management-Mentalität und entsprechendes Handeln. Es gibt aber an allen Orten Personen, welche die Verwaltung weiterentwickeln wollen und mit Hochdruck daran arbeiten, und zwar nicht nur im viel diskutierten Bereich Digitalisierung. Denken Sie beispielsweise nur einmal an das komplexe Projekt der Schulbauoffensive in Berlin. Manchmal stehen dem jedoch strukturelle oder organisatorische Widerstände oder überkomplexe rechtliche Rahmenbedingungen im Weg – häufig sogar selbst verursachte Barrieren. Die „Heldinnen und Helden“ der Verwaltung sind für mich diejenigen Personen, welche Tag für Tag von Idealen getrieben gegen diese Windmühlen arbeiten; Menschen, die ihre Aufgabe darin sehen, als Repräsentanten des Staates – durchaus auch auf niedrigeren Hierarchieebenen – sich für das Gemeinwohl einzusetzen und einen qualitativ hochwertigen Dienst an und für die Bürger/innen zu erbringen. Wenn sich unter dieser Personengruppe auch unsere Absolventinnen und Absolventen befinden, so können auch wir zufrieden mit unserer Arbeit sein.

Die HWR Berlin bildet rund 40% aller zukünftigen Angestellten und Beamten in der Berliner Verwaltung aus. Das ist ein enormer Anteil. Wie kommt es zu diesem Schwerpunkt?

Die HWR ist ja in 2009 aus mehreren eigenständigen Hochschulen fusioniert. Eine der Vorgängerhochschulen war die FHVR, die Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, welche bereits 1973 gegründet wurde. Alle Bundesländer und der Bund selbst unterhalten eine oder mehrere Ausbildungseinrichtung/en, in denen spezialisierte Studiengänge für den öffentlichen Dienst angeboten werden. Zusammen bezeichnen sich diese als „Hochschulen für den öffentlichen Dienst (HöD)“. Die HWR ist gemessen an der Studierendenzahl der Fachbereiche 3 bis 5 die viertgrößte HöD in Deutschland. Die Studiengänge der HöD gibt es gewöhnlicherweise nicht an Universitäten oder anderen Hochschulen und erfüllen oft besondere staatliche Regeln, bspw. wenn die Voraussetzungen für eine sofortige Verbeamtung durch den Studienabschluss erfüllt werden. An den HöD kann man bspw. Allgemeine Verwaltung, Polizeivollzugsdienst, Rechtspflege, Steuer-, Sozialversicherungs- und Archivwesen studieren. Wegen des großen Personalbedarfs vieler Verwaltungen im demografischen Wandel wachsen zur Zeit bundesweit viele HöD, auch die einschlägigen Fachbereiche der HWR.

Was ist das Ziel der Verwaltungsausbildung an der HWR Berlin? Warum sollten sich junge Studierende hier einschreiben?

Wir bieten am Fachbereich Allgemeine Verwaltung vier Bachelor- und zwei Masterstudiengänge an. Sie sind alle unterschiedlich ausgerichtet und vermitteln damit auch verschiedene fachliche Qualifikationen und Schwerpunkte für eine Tätigkeit in der Verwaltung oder für öffentliche und private Unternehmen, die im Auftrag der Verwaltung arbeiten. Diese große Bandbreite an Schwerpunkten (Jura-, Management-, IT-, Nonprofit-Schwerpunkt etc.) gibt es nur an wenigen anderen Verwaltungshochschulen. Neben dem obligatorischen Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen, die für einen gelungenen Berufseinstieg notwendig sind, wollen wir unsere Studierenden auch zu kritisch reflektierenden Personen ausbilden, die sich ein Leben lang in sich wandelnden Kontexten sicher bewegen können. Bestenfalls gelingt es auch, etwas vom Ideal und der Ethik einer „guten Verwaltung“ als Wert zu vermitteln.

Es schreiben sich übrigens nicht nur junge Studierende ein: Für einen nicht geringen Teil unserer Studierenden ist das Studium am Fachbereich Allgemeine Verwaltung bereits das zweite Studium oder der Anschluss an eine vorhandene Berufsqualifizierung, teilweise mit mehrjähriger Berufstätigkeit. Diese Menschen bringen oft wertvolle Erfahrungen durch ihre Biographie mit und sind ebenso sehr willkommen.  

Für alle gilt: Die Beschäftigungsperspektiven für den beruflichen Einstieg in der Verwaltung sind gegenwärtig und auch nach vorliegenden Daten mindestens in den nächsten 10 Jahren hervorragend.

Wenn Ihnen gesagt wird, in der Verwaltung zu arbeiten, ist unmodern und wenig attraktiv. Was antworten Sie?

Ich höre von unseren Absolventinnen und Absolventen sowohl dieses Klischee der öffentlichen Wahrnehmung, als auch glücklicherweise häufig das Gegenteil aus der erlebten Realität. Zunächst gibt es kaum einen so vielfältigen Arbeitgeber wie den öffentlichen Dienst: ob ein direkter Kontakt zu betroffenen Menschen, wo man die Konsequenzen seiner Tätigkeit miterleben kann, ob eine sachbearbeitende Tätigkeit im Hintergrund, ob Projektmanagement, Modernisierungen im IT-Bereich, der ganze mittelbare öffentliche Dienst in der Daseinsvorsorge und natürlich strategisch ausgerichtete Leitungsfunktionen – da ist für jede und jeden das Passende dabei. Zufriedenheit mit den Inhalten der Tätigkeit ist der wichtigste Motivator überhaupt, hier kann die Verwaltung viel Abwechslung bieten.

Der Staat war schon immer ein sicherer und in vielerlei Hinsicht ein fairer Arbeitgeber, auch das wissen viele zu schätzen. Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Diversity werden nicht nur auf Internetseiten geschrieben, sondern auch gelebt. Die Entwicklungsmöglichkeiten sind bei entsprechendem persönlichen Einsatz groß. Unter unseren AbsolventInnen sind auch heutige Spitzenkräfte der Berliner Verwaltung wie beispielsweise ein Bezirksbürgermeister und eine Bundesministerin. Ebenfalls zur Wahrheit gehört, dass nicht jede und jeder soweit aufsteigen kann und möchte – aber auch nicht muss. Aber auch hierzu gibt es eine positive Nachricht: Bei den Verdienstmöglichkeiten sollte nicht übersehen werden, dass die Gehälter im öffentlichen Dienst gerade in niedrigeren und mittleren Positionen oftmals höher als in der Privatwirtschaft sind. Zur Zeit befinden sich viele öffentliche Arbeitgeber im Wettbewerb um die besten Köpfe, d. h. die Steigerungsraten waren und sind mittelfristig absehbar höher als in anderen Branchen, auch im Land Berlin.

Das Creative Bureaucracy Festival

Zum zweiten Mal veranstaltet der Tagesspiegel das Creative Bureaucracy Festival. In diesem Jahr ist die HWR Berlin mit zahlreichen Beiträgen auf dem Festival vertreten. Woher kommt dieses Engagement?

Der Tagesspiegel hat die HWR angesichts Ihres in Berlin solitären Profils als HöD angefragt, ob sie sich auf dem Festival einbringen möchte. Da haben wir nicht lange überlegen müssen. Sowohl das Festival als auch wir mit unseren Studienangeboten verfolgen das Ziel, kreative und professionelle Lösungsansätze für die Verwaltung zu vermitteln. Außerdem bot sich auch die Gelegenheit, einige Studierende aktiv einzubeziehen und als Nebeneffekt allen Studierenden des Fachbereichs freien Eintritt zum Festival zu ermöglichen.

Was genau erwartet Besucher bei den Veranstaltungen der HWR Berlin?

Am Freitag Nachmittag von 14 bis 17 Uhr werden wir im Rahmen von moderierten Podiumsdiskussionen der Frage nachgehen, wie Ausbildung, Recruiting und Personalentwicklung für die Verwaltung der Zukunft aussehen sollten und was das für das verwaltungsbezogene Studium bedeutet. Dazu haben wir verschiedene Gäste aus der Verwaltungspraxis, Wissenschaft, Gewerkschaft und Hochschulen eingeladen. Am Samstag finden zu verschiedenen Zeitpunkten interaktive Diskussionen statt, sogenannte „Fish Bowls“, wo einige Studierende, jeweils 1-2 Fachexperten/innen oder politische Vertreter/innen und das Publikum gemeinsam debattieren werden. Hier geht es um Fragen der Polizeiausbildung, der Diversity und der wirkungungsorientierten Verwaltungssteuerung. Bei weiteren Veranstaltungen haben wir externe Redner und Inhalte empfohlen und für das Festival vermittelt. Ich habe das Festival im letzten Jahr schon besucht und kann nur festhalten, dass sich eine Teilnahme sehr lohnt; verschiedenste Programmpunkte laufen zeitlich parallel, und es ist immer etwas Spannendes dabei. Es wird viel Wert auf die Einbeziehung des Publikums gelegt, was es sehr kurzweilig macht. Wer sich für die Weiterentwicklung der Verwaltung interessiert, ist bei dieser Veranstaltung gut aufgehoben.

Prof. Dr. Robert Knappe ist seit Oktober 2016 Dekan des Fachbereichs Allgemeine Verwaltung der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.

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